In Deutschland werden jährlich etwa 9300 Frühchen geboren und haben aufgrund der verkürzten Zeit im Mutterleib mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Wir geben Tipps, wie ein guter Stillstart gelingen kann.

Muttermilch: Das Beste für Frühchen

Von einem Frühchen spricht man, wenn ein Baby vor der 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommt. In Deutschland werden jährlich etwa 9300 Frühchen geboren und haben aufgrund der verkürzten Zeit im Mutterleib mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen.  Ob es das Atmen ist oder kleinste Bewegungen: Einem Frühchen verlangt alles extrem viel Kraft ab, denn es hat aufgrund des geringen Geburtsgewichtes und der kürzeren Zeit im Mutterleib noch nicht so viele Reserven in Form von kleinen ‚Speckpölsterchen‘ im Körper aufgebaut, von denen es zehren kann. Gerade für Frühchen ist Muttermilch wichtig, da sie viele protektive Stoffe enthält, die das Baby mit den wichtigsten Nährstoffen versorgt und vor Krankheiten schützt.

Vor allem das Stillen kann in der ersten Zeit bei einem Frühchen deutlich erschwert sein, dafür gibt es mehrere Gründe. Oftmals kommen Frühchen mit einem Kaiserschnitt auf die Welt und werden zunächst von der Mutter getrennt, um (intensiv-)medizinisch versorgt zu werden. Die Mutter kann mit ihrem Kind somit meist erst nach einigen Stunden oder sogar Tagen das erste Mal Haut-zu-Haut-Kontakt betreiben, was das Anlegen erschwert. Frühchen, die vor der 32. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen, sind meist alleine nicht lebensfähig und müssen entweder mit einer Magensonde (enteral) oder intravenös (parenteral) ernährt werden. Hier wird meistens Säuglingsersatznahrung verwendet, die speziell für Frühchen geeignet ist, oder in seltenen Fällen gespendete Frauenmilch.

Muttermilch wird an die Bedürfnisse von Frühchen angepasst

Frühchen sind noch mitten in der Wachstumsphase und haben deswegen einen erhöhten Kalorienbedarf. Gleichzeitig haben sie noch nicht so viele Energievorräte wie reif geborene Babys. Gerade in diesem Stadium ist es notwendig, frühgeborenen Babys alle wichtigen Nährstoffe zukommen zu lassen, die sie benötigen. Mütter sollten nach der Geburt zunächst Muttermilch abpumpen. Für extreme Frühchen wird die Muttermilch noch mit bestimmten Nährstoffen wie Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente angereichert, die sie im Wachstum und in ihrer Entwicklung optimal unterstützen. Studien belegen, dass diese Vorgehensweise Frühchen nachweislich dabei hilft, ihr Wachstumsdefizit schneller auszugleichen. 

Muttermilch passt sich optimal an die Bedürfnisse des Babys an und schützt durch ihre Zusammensetzung sogar extreme Frühchen: Mütter, die vor der 32. Schwangerschaftswoche gebären, bilden für einige Wochen die sogenannte Frühgeborenenmilch. Diese Milch enthält deutlich mehr protektive Stoffe wie Eiweiß, Fettsäuren, Spurenelemente und Abwehrstoffe als die reife Muttermilch. Später nähert sich die Muttermilch in ihrer Zusammensetzung reifer Muttermilch wieder an.

Bei Frühchen kann der Stillstart oft erst verzögert stattfinden, da der Körper der Mutter sich zum einen erst noch auf die neue Situation umstellen muss oder das Baby eventuelle erstmal von der Mutter getrennt ist. Je nachdem wie früh das Baby zur Welt gekommen ist, kann der Saug- und Schluckreflex noch nicht vollständig ausgebildet sein. Mütter sollten auf jeden Fall Muttermilch abpumpen oder ausmassieren, um die Milchbildung bereits in Gang zu setzen. Die ersten richtigen Stillversuche sollten erst unternommen werden, wenn das Baby einen voll ausgebildeten Saugreflex (meist ab der 32. SSW) aufweist und sein körperlicher Zustand stabil ist. Zunächst kann es sein, dass das Frühchen die Brustwarze mit der Zunge abtastet und die Lippen darum legt, ohne zu saugen, dies lernt es aber mit der Zeit. Vor allem in der Anfangszeit kann es sein, dass das Baby noch nicht viel trinken möchte, dies ist ganz normal. Der Magen eines reifen Neugeborenen ist etwa nur Kirschkerngroß, der eines Frühchens ist, je nach Geburtszeitraum, nochmal kleiner. Du kannst Dein Kind jedoch zum Trinken animieren, indem Du ihm Deinen Finger zum Saugen gibst oder ihm sanft am Hals streichelst. Sei geduldig mit Deinem frühgeborenen Kind, denn Saugen ist ein Prozess, der eine gewisse neurologische Reife erfordert sich erst noch entwickeln muss. Bei Trinkversuchen sollte eine ruhige Umgebung gegeben sein, da das Trinken alle Kraft und Aufmerksamkeit des Kindes fordert. Zu viel Ablenkung (laute Geräusche, viel Besuch) kann Frühchen unter Stress setzen und so das Stillen weiter verzögern.

Frühchen: So viel Hautkontakt wie möglich halten

Wenn Dein Kind ein extremes Frühchen ist und mit einer Sonde ernährt werden muss, kannst Du es natürlich noch nicht selbst stillen. Auch hier hilft es, wenn möglich, bereits Milch abzupumpen. Zum anderen solltest Du trotzdem so viel Kontakt wie möglich zu Deinem Kind haben. Sofern es Deine Kraft und der Zustand Deines Kindes zulässt, solltest Du so viel Hautkontakt wie möglich aufbauen. Frühchen werden meist in sogenannten Inkubatoren warmgehalten, auch wird dort ihre Atmung überprüft. Studien haben ergeben, dass Frühchen jedoch deutlich ruhiger atmen, wenn sie auf der Brust ihrer Mutter oder ihres Vaters liegen. Auch nehmen sie schneller an Gewicht zu, wenn sie oft Kontakt mit ihren Eltern haben. Das Bonding, also der enge Kontakt zu den Eltern, ist somit essentiell für die Entwicklung des Kindes. Auch in puncto Stillen ist der Hautkontakt sinnvoll, denn dies fördert den Milcheinschuss erheblich. Wenn es Dein und der Gesundheitszustand Deines Kindes zulässt, kannst Du direkt nach der Geburt kängeruhen, d.h. Du legst das Kind auf Deine nackte Brust (oder die nackte Brust Deines Partners / Deiner Partnerin), um den Grundstein für eine enge Bindung zu legen, die im Idealfall ein ganzes Leben hält. Wenn Du keinen direkten Körperkontakt mit Deinem Kind haben kannst, hilft es auch, wenn es die Stimmen der Eltern hört, denn diese kennt es schon aus dem Mutterleib und sind ihm daher vertraut. 

Weitere Tipps für einen guten Stillstart mit Frühchen:

  • Kann das Kind noch nicht eigenständig saugen oder angelegt werden, hilft es, Milch auszustreichen und aufzufangen. Vor allem das Kolostrum, die Erstmilch, hat viele protektive Stoffe, die wichtig für eine gesunde Entwicklung sind. Die aufgefangene Milch kann vorsichtig mit einer Spritze (ohne Nadel) oder einem Löffel eingeflößt werden. Ab der 28. SSW können Babys meist schon recht gut schlucken und saugen, viele Babys können schon ab der 34. SSW voll gestillt werden. Es gibt zudem auch spezielle Becher, mit denen Frühchen ab der 29. SSW zugefüttert werden können. Ob und wie Dein Kind Muttermilch zugeführt bekommt, sollte mit den behandelnden Ärzt*Innen und der Hebamme zunächst abgesprochen werden. 
  • In den ersten Tagen solltest Du täglich mehrmals Milch abpumpen, um die Milchproduktion anzuregen, in etwa acht bis zwölfmal. Neige eher dazu lieber kürzer und dafür öfter abzupumpen, als länger und dafür seltener, da ersteres die Milchproduktion mehr anregt.
  • Überschüssige Milch kann eingefroren werden. Wie Du abgepumpt oder ausgestrichene Milch richtig lagerst, kannst Du hier im Detail nachlesen.
  • Hygiene beim Abpumpen ist das A & O, um das empfindliche Frühchen nicht mit Keimen und Bakterien zu konfrontieren. Vor dem Stillen oder Abpumpen solltest Du immer die Hände waschen, auch sollte die Brust vorher mit Wasser gereinigt werden. Pumpen und Fläschchen müssen immer gesäubert und desinfiziert werden. Anleitungen dafür findest Du hier.
  • Wirkt Dein Baby müde, dann gönne ihm eine Erholungspause. Für Frühchen ist bedeutet alles einen gewissen Kraftakt, auch das Trinken lernen ist extrem anstrengend und sollte nur mit Pausen gelernt werden.
  • Neben dem Abpumpen kann auch eine Brustmassage helfen, die Milchbildung anzuregen.
  • Hier findest Du noch weitergehende Tipps, was Eltern tun können, um ihre Frühchen zu unterstützen. 
  • Wenn Dein Kind noch nicht richtig saugen kann, kannst Du ihm einen Schnuller anbieten, um den Saugreflex zu trainieren.
  • Mütter sind nach einer Geburt oder einem Kaiserschnitt oftmals geschwächt. Du solltest gut auf Dich achten, indem Du dich genügend ausruhst und auch genug Flüssigkeit zu Dir nimmst, denn die Flüssigkeitszufuhr beeinflusst auch Milchproduktion. Am besten hast Du immer eine Flasche Wasser griffbereit.
  • Beim Stillen kommt es auf die richtige Stillposition an. Wenn Du Dir unsicher bist, welche Position für Dein Frühgeborenes geeignet ist, dann solltest Du Deine Hebamme fragen.

Wichtig ist, dass es beim Stillen kein prinzipielles Richtig oder Falsch gibt. Tu das, was sich für Dich und Dein Kind richtig und angenehm anfühlt, und vertraue Deinem Mutterinstinkt. Deine Hebamme oder eine Stillberaterin kann Dir zudem vor allem in der Anfangszeit eine wertvolle Stütze sein, denn das Stillen muss erstmal gelernt werden. Gib Dir und Deinem Baby Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen und genießt die Zeit zusammen, so steht einer gesunden Entwicklung nichts im Wege.

Referenzen:

Ausbildungszentrum Laktation und Stillen. Stillpositionen für Frühgeborene. 2021.

Denninger N. Stillen von Frühgeborenen – Von der Magensonde zum Stillen ad Libitum. Online Fachtagung des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation. 2020.

European Foundation fort he Care of newborn Infants. Muttermilch für Frühgeborene. Broschüre für Eltern. 2020.

Charpark N et al. Twenty-year Follow-up of Kangaroo Mother Care Versus Traditional Care. Pediatrics 139:1; 2017.

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