Was können wir als Eltern tun, um unser Frühchen in den ersten Lebenstagen und -wochen bestmöglich zu unterstützen und die Gesundheit und Entwicklung zu fördern?

Eltern fühlen sich oft hilflos, wenn sie ihr frühgeborenes Kind verkabelt und an piepsende Monitore angeschlossen im Inkubator liegen sehen. Die medizinische Versorgung des Nachwuchses muss den Ärzten und Pflegern anvertraut werden. Doch es gibt schon in den ersten Wochen eine Reihe von Dingen, die Ihr als Eltern tun könnt, um Eurem Frühchen dabei zu helfen, sich durchs Leben zu kämpfen. 

Känguruhen

Die sogenannte Känguru-Methode leitet sich vom Verhalten der hüpfenden Beuteltiere aus Australien ab: Kängurus kommen immer unreif zur Welt, sind also immer ‚Frühchen’. Sie verbringen dann jedoch noch mehrere Monate im Beutel der Mutter, wo sie geschützt weiter heranreifen können. Beim Känguruhen soll ähnlich dem Beutel der Kängurus eine geschützte Umgebung für das Frühchen hergestellt werden. Hierfür wird der Säugling auf die nackte Brust der Mutter oder des Vaters gelegt. Das Frühgeborene ist dabei nur mit einer Windel bekleidet und wird mit einer Decke oder einem Handtuch zugedeckt. Es wird durch die Körperwärme der Eltern warm gehalten und kann den vertrauten Stimmen und dem Herzschlag horchen. Die Känguru-Methode wurde ursprünglich in Südamerika angewandt, als es noch keine Inkubatoren gab, um die Frühchen warm zu halten. Mittlerweile wird das Känguruhen aber überall eingesetzt, da sich in zahlreichen Studien neben der Übertragung von Körperwärme noch viele weitere positive Auswirkungen auf die Frühchen, aber auch auf die Eltern gezeigt haben:

  • Ruhiger Schlaf: Beim Känguruhen schlafen die Babys dank der Wärme und Geborgenheit der Umgebung einen besonders ruhigen, erholsamen und damit gesundheitsfördernden Schlaf.
  • Verbesserte Lungenfunktion: Die Frühchen weisen eine niedrigere Atemfrequenz auf, atmen also ruhiger und entspannter. Außerdem verbessert sich die Sauerstoffversorgung: Die Sauerstoffsättigung steigt.
  • Verbesserte Herzfunktion: Auch der Herzschlag stabilisiert sich beim Känguruhen, die Herzfrequenz sinkt.
  • Stressabbau: Durch die körperliche Nähe kommt es sowohl beim Kind als auch bei Mutter oder Vater zu einer Reduktion des Stresslevels, was sich nicht nur positiv auf die Gesundheit des Frühchens auswirkt, sondern auch auf die Fähigkeit der Eltern, mit dieser schwierigen und belastenden Situation umzugehen.
  • Eltern-Kind-Bindung: Das Känguruhen trägt zum frühen Aufbau einer vertrauensvollen Eltern-Kind-Bindung bei, da bei Hautkontakt Oxytocin, das sogenannte Kuschelhormon, ausgeschüttet wird. 
  • Schmerzlinderung: Auch die Schmerzlinderung wird der Ausschüttung des Oxytocins bei Körperkontakt zugeschrieben. 
  • Anregung des Milchflusses: Bei der Mutter sorgt die Ausschüttung von Oxytocin für den sogenannten Milchspende-Reflex, fördert also den Milchfluss. Muttermilch hat sehr  positive Auswirkungen auf Gesundheit und Entwicklung des Frühchens.

Auch unabhängig vom Känguruhen, wenn sich das Baby im Inkubator oder im Bettchen befindet, solltet Ihr möglichst viel Zeit mit Eurem Kind verbringen. Lest oder singt dem Frühchen etwas vor, redet ruhig und leise mit ihm. Die Stimmen der Eltern sind dem Baby bereits vertraut und spenden Trost in dieser ungewohnten und fremden Krankenhausumgebung.

Muttermilch

Für Frühchen gilt genau wie für alle anderen Neugeborenen auch: Die beste Nahrung stellt die Muttermilch dar. Muttermilch ist für Frühchen besonders wertvoll und trägt maßgeblich zu einer schnelleren Entwicklung und einer besseren Gesundheit bei. Die Zusammensetzung der Muttermilch ist hochvariabel und passt sich optimal den Bedürfnissen des Babys an. Die Milch, die von Müttern nach einer Frühgeburt produziert wird, ist anders zusammengesetzt als die ‚normale’ Muttermilch: Der Proteingehalt ist höher. Dieser erhöhte Proteingehalt fördert die Entwicklung und das Wachstum von Frühchen. Außerdem enthält Muttermilch Antikörper, die das kindliche Immunsystem stärken und es somit vor Infektionen schützen. Gerade für Frühchen sind diese Antikörper wichtig, da bei  ihnen eine deutlich erhöhte Infektionsgefahr besteht.  

Allerdings kann es bei Frühchen erschwerende Umstände geben, die das Stillen anfangs unmöglich machen. Einige Frühchen sind noch nicht in der Lage, Nahrung selbst zu schlucken. Auch die Verdauung funktioniert noch nicht einwandfrei. Solange Stillen noch keine Option ist, sollte daher die Milch abgepumpt und den Frühchen über eine Magensonde zugeführt werden. Auch das ist jedoch nicht immer so einfach, da es nach einer Frühgeburt etwas länger dauern kann, bis die Milchbildung und der Milchfluss funktionieren. Eine Frühgeburt und auch die Zeit danach ist meist eine sehr belastende Situation. Nicht nur das Baby, sondern auch der Körper der Mutter war eigentlich noch nicht auf eine Entbindung eingestellt. Durch die Erschöpfung und die Sorge um die Gesundheit des Frühchens werden Stresshormone ausgeschüttet, die die Milchbildung stören und verlangsamen. Lasse Dich also nicht entmutigen, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Jeder Tropfen zählt! Es gibt jedoch auch Faktoren, die den Milchfluss anregen können:

  • Känguruhen: Das beim Känguruhen ausgeschüttete Hormon Oxytocin trägt zur Anregung des Milchflusses bei. Deshalb kann oft mehr Milch abgepumpt werden, wenn das Abpumpen während des Känguruhens stattfindet. 
  • Brustmassagen: Normalerweise wird der Milchfluss durch das Saugen des Kindes aktiviert. Frühchen können oft noch nicht saugen. Eine Brustmassage kann das Saugen ersetzen und den Milchfluss anregen.
  • Blickkontakt: Wenn es möglich ist, schaue dein Kind während dem Abpumpen an, falls dies nicht klappt, dann schaue ein Foto Deines Kindes an.
  • Ausgewogene Ernährung
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Pro Tag sollten etwa 2 Liter getrunken werden.
  • Eine ruhige, geschützte Umgebung kann helfen, den Milchspendereflex auszulösen. 
  • Oft hilft auch eine warme Dusche.

Beim Abpumpen sollte außerdem Folgendes beachtet werden:

  • Lasst Euch beraten! In vielen Kliniken gibt es Laktations- und Stillberaterinnen, die Euch individuell betreuen, beraten und unterstützen können.
  • Es sollte möglichst regelmäßig abgepumpt werden, um den Milchfluss optimal anzuregen. Im Idealfall wird der Milchfluss innerhalb der ersten 2 Wochen auf eine Menge gebracht, die auch reife Neugeborene benötigen würden.
  • Es gibt eine Reihe von Hygienemaßnahmen, die beim Abpumpen eingehalten werden müssen. Das Abpumpen sollte nur mit gewaschenen Händen erfolgen, auch die Brust sollte vorher gewaschen werden. Spüle aber, nachdem Du Seife verwendest hast, diese mit klarem Wasser wieder ab. Die Milchpumpe sollte nach jeder Anwendung mit heißem Wasser gereinigt werden.
  • Die Milch sollte direkt nach dem Abpumpen gekühlt werden. Im Kühlschrank darf Muttermilch höchstens 24 Stunden, bei Raumtemperatur nur höchstens 4 Stunden aufbewahrt werden. Hierzu wirst Du auch in der Klinik beraten, ansonsten findest Du hier weitere Details zur Lagerung von Muttermilch.
  • Bei sehr unreifen Frühchen wird die Milch zudem oft pasteurisiert, um Keime abzutöten, die für reifere Säuglinge ungefährlich sind.
  • Wage immer wieder den Versuch, Dein Baby zu stillen. Je nach Reife des Frühchens kann es bereits nach wenigen Tagen oder aber nach wenigen Wochen selbstständig saugen und schlucken. Achtet auch beim Känguruhen darauf, ob Eurer Frühchen Anstalten macht, die Brust zu suchen und zu saugen. 

Selbstfürsorge

Eine Frühgeburt und die darauf folgenden Wochen und Monate sind für die Eltern eine extrem belastende Zeit. Gerade deshalb ist es wichtig, dass Ihr auch mal an Euch selbst denkt und Euch nicht von der Erschöpfung und der Angst und Sorge um Euer Kind völlig zermürben lasst. Das ist natürlich in so einer Situation leichter gesagt als getan. Ihr wollt vielleicht am liebsten die ganze Zeit bei Eurem Kind sein. Doch Ihr helft Eurem Frühchen am besten, wenn es Euch selbst gut geht, wenn Ihr ausgeruht und entspannt seid. Nutzt daher die Zeit, in der Euer Kind schläft, um selbst neue Kräfte zu tanken. 

Auch der Austausch mit anderen Familien, die sich in der gleichen Situation befinden, kann hilfreich für frischgebackene Frühchen-Eltern sein. Menschen, die Ähnliches durchgemacht haben, haben oft die besten Tipps und geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid. Es gibt zahlreiche Elternselbsthilfegruppen, Gesprächskreise oder Onlineforen für Frühchen-Eltern. Auch in der Klinik könnt ihr das Gespräch zu anderen Frühchen-Eltern suchen.

Quellen:

Poßner M. Die Dynamik der Muttermilch und Anpassung an die Bedürfnisse des Kindes. Paediatr. Paedolog. Austria 53, 124–127 (2018). https://doi.org/10.1007/s00608-018-0554-9

https://pediatrics.aappublications.org/content/early/2015/12/22/peds.2015-2238

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