Antworten auf wichtige Fragen zum Thema Frühchen: Wann spricht man von extrem frühen Frühchen? Was für medizinische Komplikationen können auftreten und wie werden sie behandelt? Wie hoch sind die Überlebenschancen?

Was ist ein Frühchen?

Als Frühgeborene oder „Frühchen“ gelten Babys, die vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche das Licht der Welt erblicken oder bei der Geburt weniger als 2500 Gramm wiegen. In Deutschland machen Frühchen etwa 9% aller geborenen Säuglinge aus. Man kann Frühchen nach Zeitpunkt der Geburt und Gewicht in 3 verschiedene Kategorien einteilen:

  • Extreme Frühchen: Geburt vor Vollendung der 28. SSW oder Gewicht unter 1000 Gramm
  • Sehr frühe Frühchen: Geburt vor Vollendung der 30. SSW oder Gewicht unter 1500 Gramm
  • Mäßig frühe Frühchen: Geburt vor Vollendung der 37. SSW oder Gewicht unter 2500 Gramm

Was für medizinische Komplikationen können bei Frühchen auftreten?

Da viele Organe von Frühchen bei der Geburt noch nicht ausreichend entwickelt und ausgereift sind, kann es zu einer Reihe von medizinischen Komplikationen kommen. Die häufigsten und wichtigsten Komplikationen und ihre Behandlungsmöglichkeiten werden im Folgenden genauer vorgestellt. 

Unreife Lunge

  • Entwicklung der Lungen

Bei Frühgeborenen haben die Lungen sich oft noch nicht vollständig entwickelt. Die anatomische Reifung der Lunge ist normalerweise etwa bei Vollendung der 34. Schwangerschaftswoche abgeschlossen: zu diesem Zeitpunkt haben sich die winzigen Bläschen, aus denen die Lunge besteht, vollständig ausgebildet. In diesen Lungenbläschen, den Alveolen, findet der Gasaustausch statt: Sauerstoff aus der Luft wird ins Blut aufgenommen und Kohlendioxid wird vom Blut wieder abgegeben. Für die Atmung ist jedoch nicht nur die Struktur der Lunge von Bedeutung, sondern auch eine bestimmte Substanz, die von der Lunge gebildet wird: das sogenannte Surfactant. Dieses Surfactant lagert sich von innen als Flüssigkeitsschicht an die Wand der Alveolen an und hält sie offen. Ohne das Surfactant würden die Lungenbläschen bei der Atmung einfach in sich zusammenfallen. Surfactant wird von Babys allerdings erst zwischen der 34. und der 36. Schwangerschaftswoche ausreichend produziert.

  • Atemnotsyndrom des Neugeborenen (IRDS, Surfactant-Mangel-Syndrom)

Wenn die Lungenreifung noch nicht abgeschlossen ist, leiden Frühgeborene häufig unter dem Atemnotsyndrom des Neugeborenen, auch Surfactant-Mangel-Syndrom oder IRDS genannt (infant respiratory distress syndrome). Durch die nicht vollständig entwickelten Lungen und vor allem das fehlende Surfactant kann die Lungenfunktion, die Atmung, nicht ausreichend gewährleistet werden und es kommt zu einer Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff. 

Symptome:

  • Blaufärbung der Haut, vor allem der Lippen 
  • Sehr schnelle Atmung (mehr als 60 Atemzüge pro Minute)
  • Bewegen der Nasenflügel bei der Atmung
  • Deutlich sichtbares Einziehen des Oberbauchs bei der Einatmung

Je früher die Geburt, desto unreifer ist die Lunge des Kindes und desto wahrscheinlicher ist ein Atemnotsyndrom. Von den Frühchen, die vor der 30. Schwangerschaftswoche geboren werden, entwickeln 60% ein IRDS. Je nach Zeitpunkt der Geburt und Schwere der Symptome wird das IRDS in verschiedene Stadien eingestuft. Ein schweres Stadium des Atemnotsyndroms ist die häufigste Todesursache bei Frühgeborenen. Das IRDS ist eine sehr ernst zu nehmende Komplikation, doch dank großer Fortschritte in der zuständigen medizinischen Fachrichtung, der Neonatologie, gibt es heute gute Behandlungsmöglichkeiten, die die Überlebenschancen deutlich verbessern.

Behandlung:

  • Beatmung über Nasenmaske oder Intubation
  • Zuführung von Surfactant in die Luftröhre

Um eine Versorgung des Körpers mit Sauerstoff zu gewährleisten, bis die Lunge sich vollständig entwickelt hat und ihrer Funktion selbst nachkommen kann, müssen die Frühgeborenen bei der Atmung unterstützt, also mit Sauerstoff versorgt werden. Dies geschieht je nach Schweregrad des Atemnotsyndroms entweder über eine Nasenmaske oder über eine Intubation, also einen Schlauch, der in die Luftröhre eingeführt wird. Über diesen Schlauch kann den Frühchen außerdem Surfactant von außen zugeführt werden, solange ihre Lungen es noch nicht ausreichend selbst produzieren. 

Unterentwickeltes Gehirn

  • Entwicklung des Gehirns

Die Entwicklung des Gehirns ist auch bei reif geborenen Babys noch lange nicht abgeschlossen: das Gehirn entwickelt sich nach der Geburt in der Kindheit und Pubertät noch weiter und ist erst im Alter von etwa 25 Jahren vollständig ausgereift. Es gibt jedoch einige Aspekte der Entwicklung des Gehirns, die bei Frühgeborenen noch nicht so weit fortgeschritten sind wie bei reif geborenen Säuglingen und die dementsprechend zu medizinischen Komplikationen führen können.

  • Gehirnblutungen und Wasserkopf

Die häufigste Komplikationen am Gehirn, die auftreten können, sind Gehirnblutungen. Bei Frühchen sind die Blutgefäße, die das Gehirn mit Blut versorgen, oft noch zart und fragil, also sehr anfällig für Verletzungen. Wenn bei Säuglingen eine Hirnblutung auftritt, dann meist (in 90% der Fälle) innerhalb der ersten 3 Lebenstage. Hirnblutungen werden in 4 Stadien unterteilt: Stadium 1 und 2 sind leichte Hirnblutungen, die oft asymptomatisch verlaufen, also unentdeckt bleiben. Stadium 3 und 4 dagegen sind ausgeprägte Blutungen. Da das Gehirn ein Organ ist, das bei unzähligen Körperfunktionen eine entscheidende Rolle spielt, können solche Blutungen mit einer Reihe von sehr unspezifischen Symptomen einhergehen:

  • Krampfanfälle
  • Unregelmäßige Atmung
  • Blässe oder Blaufärbung der Haut
  • Blutdruckabfall
  • Bradykardie (langsamer Herzschlag: weniger als 120 Schläge pro Minute. Frühchen haben normalerweise eine Herzfrequenz von 120-160 Schlägen pro Minute)
  • Temperaturinstabilität

Eine Hirnblutung kann bei Verdacht mit Hilfe bildgebender Verfahren wie dem Ultraschall, der Kernspintomographie (MRT) oder der Computertomographie (CT) diagnostiziert werden. Bei einer Hirnblutung werden die Frühchen auf einer Neugeborenen-Intensivstation (NICU) engmaschig überwacht und erhalten eine Behandlung, die auf Verminderung der Symptome und Aufrechterhaltung der Körperfunktionen ausgerichtet ist: 

  • Beatmung
  • Wärme-Behandlung
  • Infusionen

In wenigen Fällen liegt zusätzlich zu der Hirnblutung ein Hydrozephalus oder „Wasserkopf“ vor. Hier kann aufgrund der Blutung das Gehirnwasser nicht ausreichend abfließen, sammelt sich an und drückt auf das Gehirn. Der Hydrozephalus führt zu einer Vergrößerung des Kopfs und einem Vorwölben der Fontanelle, also der Stelle, an der die Anteile des Schädels noch nicht miteinander verwachsen sind. Bei Vorliegen eines Hydrozephalus muss meist operativ ein sogenannter Shunt eingesetzt werden, der das Hirnwasser aus dem Kopf ableitet und somit das Gehirn entlastet. 

Gehirnblutungen des Stadium 1 und 2 haben eine sehr gute Prognose: sie werden oft gar nicht entdeckt und der Körper kann diese leichten Blutungen selbstständig wieder abbauen. Es treten meist keine weiteren schädlichen Folgen auf. 

Blutungen des Stadiums 3 und 4 dagegen sind schwerwiegender und können leider in vielen Fällen weitreichende neurologische Spätfolgen wie körperliche oder geistige Behinderungen nach sich ziehen oder gar tödlich enden. Bei Stadium 3 beträgt das Risiko einer Behinderung 80%, falls die Blutung beidseitig ist. Stadium 4 führt in nahezu allen Fällen zu einer Behinderung. 

  • Frühgeborenenapnoe

„Apnoe“ ist der medizinische Fachbegriff für Atemstillstand. Bei einer Frühgeborenenapnoe ist der Teil des Gehirns, der für die Regulation der Atmung zuständig ist, noch nicht ausreichend entwickelt. Es kommt zu Atemaussetzern, die mindestens 20 Sekunden andauern. Durch die Atemaussetzer sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut, die Haut färbt sich bläulich. 

Frühgeborenenapnoe kommt etwa bei jedem vierten Frühchen vor und kann gut behandelt werden: die Frühchen werden auf der Neugeborenen-Intensivstation überwacht und bei einem Atemaussetzer schlägt der Überwachungsmonitor Alarm. In den meisten Fällen reicht ein sanftes Anstupsen des Babys, damit die Atmung wieder beginnt. Andernfalls müssen die Frühchen künstlich beatmet werden. In einigen Fällen werden die Frühgeborenen auch mit Koffein behandelt: Koffein ist bekanntermaßen ein „Wachmacher“ und kann die Atemaussetzer verhindern. Die Atemaussetzer werden in der Regel im Laufe der Zeit immer seltener und hören schließlich ganz auf, wenn das Atemregulationszentrum im Gehirn ausgereift ist. Dies ist etwa zu dem Zeitpunkt der Fall, an dem der Säugling die 37. Woche des Schwangerschaftsalters erreicht.

Herz: Persistierender Ductus Arteriosus

Der persistierende Ductus Arteriosus (PDA) ist ein angeborener Herzfehler, der bei Frühchen häufiger vorkommt als bei reif geborenen Babys. Der Ductus Arteriosus ist eine Verbindung zwischen der Hauptschlagader des Körperkreislaufs (der Aorta) und der Lungenschlagader. Diese Verbindung kommt normalerweise nur bei ungeborenen Kindern vor, da sie den Lungenkreislauf noch nicht brauchen: in der Lunge findet noch kein Gasaustausch statt, die Kinder erhalten ihren Sauerstoff über die Plazenta. Nach der Geburt beginnt die Lunge, ihre Funktion zu erfüllen, das Blut muss jetzt also erst in der Lunge mit Sauerstoff angereichert werden, bevor es den Körper versorgen kann. In der Regel schließt sich der Ductus Arteriosus in den ersten Lebenstagen von alleine. Beim persistierenden Ductus Arteriosus ist das nicht der Fall: die Verbindung bleibt offen. Dies führt dazu, dass ein Teil des Blutes von der Aorta über den Ductus Arteriosus wieder in den Lungenkreislauf gelangt und somit weniger Blut zur Versorgung des Körpers zur Verfügung steht. Es kommt zu einer Sauerstoffunterversorgung, verbunden mit folgenden Symptomen:

  • Blaufärbung (Zyanose) oder Blässe der Haut
  • Beschleunigte Atmung
  • Bei älteren Kindern: geringe Belastbarkeit (Kurzatmigkeit, Atemnot bei körperlicher Betätigung)

Das Ausmaß der Sauerstoffunterversorgung und damit der Symptome ist abhängig von der Öffnungsweite des Ductus, in einigen Fällen treten gar keine Symptome auf und der Herzfehler wird gar nicht oder nur zufällig entdeckt. 

Bei auftretenden Symptomen lässt sich ein PDA gut behandeln: bei Frühgeborenen wird häufig zunächst versucht, den Ductus über Medikamente (meist Indometacin oder Ibuprofen) zur Schließung anzuregen. Falls das nicht gelingt, kann der Ductus durch Einsetzen einer Metallspirale mit Hilfe eines Herzkatheters geschlossen werden. Nach Verschluss der Verbindung treten in der Regel keine weiteren Symptome oder Komplikationen auf. 

Infektionen

Auch das Immunsystem ist bei Frühgeborenen oft noch unterentwickelt: gegen Ende der Schwangerschaft treten Antikörper der Mutter durch die Plazenta in das kindliche Blut ein, um das Baby vor Infektionen durch Bakterien und andere Krankheitserreger zu schützen. Frühgeborene haben erst sehr wenige dieser Antikörper und sind daher deutlich anfälliger für Infektionen. Zudem sind die natürlichen Barrieren des Körpers, die Schleimhäute, noch nicht vollständig ausgebildet, auch das erhöht das Risiko einer Infektion. Aufgrund dieser erhöhten Anfälligkeit ist es wichtig, dass die Frühchen besonders engmaschig medizinisch überwacht werden, damit auftretende Infektionen rechtzeitig erkannt und behandelt werden können. 

Temperaturregulation

Frühchen haben Schwierigkeiten, ihre Körpertemperatur konstant zu halten, da sie im Verhältnis zu ihrem sehr geringen Körpergewicht eine relativ große Hautoberfläche haben, über die sie viel Wärme verlieren. Auf der Neugeborenen-Intensivstation wird deshalb auf ausreichend warme Temperaturen geachtet, um Unterkühlungen zu vermeiden. Oft werden den Frühchen auch Mützen angezogen, um die unbedeckte Hautfläche und somit den Wärmeverlust möglichst gering zu halten. Die ideale Körpertemperatur liegt zwischen 36,5°C und 37,5°C, von einer Hypothermie, also einer Unterkühlung, spricht man bei Temperaturen von unter 35°C. 

Blutzuckerspiegel

Etwa 5 bis 10% aller Frühchen entwickeln nach der Geburt eine sogenannte Hypoglykämie, eine Unterzuckerung. Von einer Unterzuckerung spricht man, wenn die Glucose-Konzentration im Blut unter 35 mg/dl sinkt. Eine Hypoglykämie tritt auf, wenn im Körper ein erhöhter Bedarf an Glucose besteht, also mehr Zucker verbraucht wird. Ein erhöhter Glucose-Bedarf kann im Rahmen eines Atemnotsyndroms oder einer Hypothermie (Unterkühlung) auftreten. Außerdem wird überschüssige Glucose normalerweise in Form von Glykogen in der Leber gespeichert. Frühgeborene können jedoch noch keine größeren Glykogenvorräte anbauen. Es wird also viel Glucose verbraucht, es gibt jedoch noch keine Möglichkeit, sie im Körper zu speichern. Die Glucose-Konzentration im Blut wird deshalb bei Frühgeborenen regelmäßig gemessen. Eine Unterzuckerung kann durch Glucose-Infusionen behandelt werden. 

Magen-Darm-Trakt

Auch der Verdauungsapparat ist nicht bei allen Frühgeborenen vollständig entwickelt. Der Saug- und Schluckreflex ist in vielen Fällen noch nicht ausgebildet, deshalb kann es vorkommen, dass Frühgeborene über eine Magensonde ernährt werden müssen. Auch der Verdauungsprozess funktioniert nicht immer einwandfrei: die Verdauung geht nur sehr langsam voran, oft wird die Muttermilch oder die Säuglingsnahrung wieder ausgespuckt. Deshalb werden Frühgeborene in der Regel mit regelmäßigen sehr kleinen Nahrungsportionen versorgt, um den Magen-Darm-Trakt nicht zu überfordern, ihn aber dennoch langsam an die Verdauungstätigkeit zu gewöhnen. 

Augen

Die Netzhaut ist noch nicht vollständig ausgereift. Insbesondere bei sehr unreifen Kindern kann es zu einer Unterbrechung des Wachstums der Blutgefäße im Auge kommen. Dies kann in den seltensten Fällen zu einer Erblindung führen.

Was sind die Überlebenschancen für Frühchen?

Dank großer Fortschritte in der Neonatologie gibt es heutzutage sehr gute Behandlungsmöglichkeiten für die zahlreichen medizinischen Komplikationen, die bei Frühgeborenen auftreten können. Die Überlebenschancen haben sich dadurch in den letzten Jahrzehnten stetig verbessert. Allgemein gilt: je früher ein Kind geboren ist, desto unreifer ist sein Körper und desto größer das Risiko für Komplikationen. Statistisch gesehen liegt die Überlebenschance für Frühchen, die ab der 28. Schwangerschaftswoche geboren werden, zwischen 90 und 95%. Von den extrem frühen Frühchen, die bereits ab der 24. Schwangerschaftswoche geboren werden, überleben immerhin 60%. Es gilt also: bloß nicht die Hoffnung verlieren! Besonders in Kliniken mit speziellen Frühgeborenen-Intensivstationen besteht eine gute Chance, dass selbst extrem früh geborene Frühchen es schaffen, sich ins Leben zu kämpfen.

Quellen: 

Patel R. Short- and Long-Term Outcomes for Extremely Preterm Infants. American journal of perinatology 2016; vol. 33,3: 318-28. doi:10.1055/s-0035-1571202.

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