Anzeichen für eine gestörte Milchproduktion
Viele Frauen haben schon vor dem Stillen Angst, dass sie zu wenig Milch für ihr Baby haben, dabei kann man die Milchbildung anregen. Im Normalfall regelt der Körper die Milchproduktion durch Angebot und Nachfrage: Je öfter das Kind angelegt wird und an der Brust saugt, desto mehr wird das Hormon Prolaktin ausgeschüttet, das für die Milchbildung zuständig ist. Je häufiger Du Dein Kind also anlegst, desto mehr wird auch die Milchbildung angeregt. Manchmal kann es vorkommen, dass trotzdem nur wenig Milch aus der Brust kommt. Woran kann dies liegen und wie kann man die Milchmenge dann steigern?
An diesen Anzeichen kannst Du zunächst erkennen, dass Du vielleicht zu wenig Milch produzierst:
- Das Kind möchte ständig an die Brust, schreit viel und scheint nicht richtig satt zu werden. Dies kann allerdings auch bei einem gewöhnlichen Wachstumsschub der Fall sein, weswegen dies nicht immer ein klares Indiz für zu wenig Milch ist. Wichtig ist, das Kind in diesem Fall so oft es geht anzulegen. Mit der Flasche zuzufüttern sollte vermieden werden, damit der Körper die eigene Milchproduktion nicht weiter runterfährt.
- Die Brust fühlt sich leer und sehr weich an. (Dies ist nach circa vier Wochen bei vielen Müttern ein oft vorkommendes und normales Phänomen).
- Dein Baby ist unruhig und wirkt unzufrieden
- Beim Abpumpen der Brust kommt nicht viel Milch
- Dein Baby wiegt sehr wenig und nimmt wenig zu. In den ersten zwei Monaten sollte es etwa 170 – 330 Gramm pro Woche zunehmen, zwischen dem zweiten und vierten Monat 110 – 330 Gramm. Zwischen dem vierten und sechsten Monat verringert sich die durchschnittliche Gewichtszunahme von 70 – 140 Gramm pro Woche. Zwischen dem sechsten und 12. Monat sollte Dein Baby im Schnitt 40 – 110 Gramm pro Woche zunehmen. Etwa mit fünf Monaten sollte sich das Geburtsgewicht verdoppelt und gegen Ende des ersten Lebensjahres verdreifacht haben.
- Das Baby muss selten gewickelt werden und hat weniger als sieben Mal innerhalb von 24 Stunden Urin in der Windel.
Dein Instinkt wird Dir in der Regel sagen, ob etwas nicht stimmt, denn Du kennst Dein Baby am besten. Du merkst, wenn es unruhig ist oder es ihm nicht gut geht. Zudem solltest Du Deine Hebamme oder Deinen Arzt / Deine Ärztin um Rat fragen. Weitergehend findest Du Tipps, wie die Milchmenge gesteigert werden kann.
Brust entleeren kann die Milchbildung anregen
Vor allem Frauen mit kleineren Brüsten machen sich gegen Ende der Schwangerschaft oft Sorgen, ob sie ausreichend Milch produzieren. Dabei hat der Umfang der Brust nichts mit der Milchmenge zu tun. Eine Frau mit kleinen Brüsten kann ihr Baby ebenso gut stillen wie eine Frau mit großen Brüsten. Muttermilch ist wichtig für die Entwicklung des Kindes und passt sich immer genau seinen Bedürfnissen an. Hier kannst Du nochmal nachlesen, wie genau sich die Milch im Verlauf optisch und auch in ihrer Zusammensetzung verändert, um ein besseres Verständnis über die Vorgänge im Körper zu erlangen.
Vor allem in den ersten Tagen nach der Geburt kann es Probleme beim Einpendeln der Milchmenge geben. Viele Mütter sind noch unsicher, wie oft sie anlegen sollen oder sind nach der Geburt noch etwas geschwächt. Vor allem nach einem Kaiserschnitt verzögert sich das erste Stillen meist, was die Milchproduktion zunächst ins Stocken bringen kann. Gerade der erste Haut-zu-Haut-Kontakt direkt nach der Geburt hat Einfluss auf die Hormone, die die Milchproduktion steuern. Wird die Brust vor allem am Anfang nicht ausreichend entleert, kann sich das milchbildende Brustdrüsengewebe, das schon in der Schwangerschaft aufgebaut wurde, zurückbilden.
Hat Dein Kind Probleme, Deine Brust zu entleeren, kannst Du mit einer Milchpumpe einfach Milch abpumpen oder per Brustmassage Deine Brust auch per Hand nach dem Stillen entleeren. Je mehr die Brüste entleert werden, desto mehr steigt der Prolaktinspiegel und regt so die Bildung des Brustdrüsengewebes an. Lerne am Besten schon in der Schwangerschaft, wie du Milch aus Deiner Brust massierst, so kannst Du Dein schläfriges Baby durch Gabe Deiner ausgestrichenen Milch wecken und dadurch zum Trinken animieren. Gerade bei einem geplanten Kaiserschnitt empfiehlt es sich in der Schwangerschaft, jedoch erst ab der 37 SSW, Kolostrum, die erste Milch, aufzufangen und mit in die Klinik zu bringen.
Galaktogoga
Bei einem niedrigen Prolaktinspiegel können sogenannte Galaktogoga zum Einsatz kommen. Diese Medikamente erhöhen den Prolaktinspiegel, in Europa wird am gängigsten Domperidon verschrieben. Das verschreibungspflichtige Medikament soll helfen, die Milchbildung anzuregen. Ist die ausreichende Milchmenge erreicht, wird es langsam ausgeschlichen. Da das Medikament Nebenwirkungen haben kann, sollte es nur in Notfällen und bei gesunden Frauen um Einsatz kommen. Am besten ist, wenn die Milchbildung auf natürliche Art und Weise angeregt wird. Musst Du ein solches Medikament nehmen, solltest Du es immer unter Betreuung eines Arztes / einer Ärztin und einer Still- oder Laktationsberaterin tun.
Wechselstillen ausprobieren
Du solltest Deinem Kind die Brust so oft wie möglich anbieten, um den Milchspendereflex anzuregen, im Schnitt alle 1,5 bis zwei Stunden, spätestens alle drei Stunden. Beim Brust geben kannst Du das sogenannte Wechselstillen ausprobieren: Du bietest Deinem Kind zunächst ganz normal eine Brustseite zum Trinken an. Wird es nach einiger Zeit trinkmüder, mach eine kurze Pause, in der Du oder Dein Mann es auch gerne Wickeln kann, damit Euer Baby wieder wach und aktiv wird und leg es dann an die andere Brust an. Du kannst zwischendurch immer mal wieder die Seiten wechseln, um die Milchproduktion weiter anzuregen. Diese Technik hilft vor allem sehr gut, da die Milchbildung in beiden Brüsten unabhängig voneinander läuft. Wenn beispielsweise die linke Brust fast entleert ist, läuft die Milchproduktion dort auf Hochtouren. Ist die rechte Brust noch recht voll, ist die Milchbildungsrate dort eher niedrig. Für die Milchproduktion ist es besser, nicht zu lang pro Seite zu stillen. Am besten wechselst Du das Baby nach 10 – 15 Minuten an die andere Brust.
Ein kleiner Trick kann helfen, um das Baby aktiv zum Weitersaugen zu animieren: Streichle Dein Kind beim Stillen sanft seitlich am Hals oder hinter dem Ohr. So wird der Saugreflex nicht nur animiert, Dein Baby bleibt auch wacher und aufmerksamer.
Bonding ist wichtig zum Aufbau der Stillbeziehung
Wichtig für eine gute Stillbeziehung ist ein enger Haut-zu-Haut-Kontakt. Unmittelbar nach der Geburt wird das Kind der Mutter auf die Brust gelegt, um den ersten wichtigen Grundstein in der engen Beziehung zu legen. Enger Hautkontakt setzt nicht nur das Wohlfühlhormon Oxytocin frei, sondern fördert auch wiederum die Bildung von Prolaktin. Du solltest Dein nacktes Kind also oft auf Deine nackte Brust legen, viel mit ihm Kuscheln und es in einem Tragetuch nah an Deinem Körper haben. Durch den engen Haut-an-Haut-Kontakt zeigen Babys oft ein effektiveres Saugverhalten.
Saugprobleme: keine Seltenheit bei Stillproblemen
Wenn Du Dein Kind oft genug anlegst und trotzdem den Eindruck hast, dass es nicht satt wird, solltest Du kontrollieren lassen, ob Dein Kind Probleme beim Saugen hat. Etwa 15% aller Kinder haben ein verkürztes Zungenbändchen, dass das Stillen erheblich erschweren kann, da die Kinder die Brustwarze nicht richtig mit der Zunge umfassen können. Hast Du den Verdacht, dass Dein Kind damit Probleme haben könnte, solltest Du es bei einem Fachmann vorstellig werden lassen.
Auch hat sich der Besuch bei einem Osteopathen / einer Osteopathin, der oder die auf Babys spezialisiert ist, oftmals bewährt. Eingeklemmte Wirbel oder Verspannungen, die z.B. durch das Rutschen durch den Geburtskanal entstanden sind, können mit sanften Berührungen gelöst werden. Denn auch diese können das Saugen an der Brust für das Kind unangenehm machen.
Brustkompressionen können die Milchmenge steigern
Die Entleerung der Brust ist eine der effektivsten Mittel, die Milchproduktion anzuregen. Mit Brustkompressionen kannst Du Deinem Baby dabei helfen, die Brust zu entleeren: Wenn es an der Brust trinkt, kannst Du den Daumen auf die eine Seite des Brustansatzes legen und Deine restlichen Finger auf die andere Seite. Es sollte nicht zu nah an der Brustwarze (also außerhalb der Mamille, dem dunklen Teil der Brustwarze)sein, da Du Dein Kind sonst beim Saugen und Andocken stören könntest. Du drückst die Brust mit Deinen Fingern immer dann zusammen, wenn Dein Kind mit dem Trinken nachlässt. Durch die Kompression der Brust wird der Milchfluss gefördert und das Baby angeregt, weiterzutrinken. Die Kompression sollte allerdings nicht durchgeführt werden, wenn das Baby gerade sehr gut an der Brust trinkt, da es dadurch irritiert werden kann.
Gesunde Ernährung und Entspannung kann sich positiv auf Milchproduktion auswirken
Auch wenn der Fokus auf dem Baby liegt, sollten Mütter nicht vergessen, sich selbst zu versorgen. Eine ausgewogene und gesunde Ernährung wirkt sich ebenfalls auf die Milchbildung aus, zudem sollten Mamas viel trinken. Vor allem stilles Wasser oder verdünnte Saftschorlen sind zu empfehlen. Von Pfefferminz- oder Salbeitees solltest Du lieber die Finger lassen, da diese die Milchbildung sogar hemmen können. Es gibt zudem spezielle Milchbildungstees, die Kräuter enthalten, die die Milchproduktion steigern. Dazu gehören z.B. (Schwarz-)kümmel, Anis, Fenchelsamen oder Bockshornkleesamen. Du solltest allerdings immer erst mit Deinem Frauenarzt / Deiner Frauenärztin oder Hebamme absprechen, ob ein Milchbildungstee für Dich in Frage kommt. Wenn ja, solltest Du auf eine hohe Qualität (am besten Bio) achten.
Gerade der Anfang mit Baby kann sehr trubelig sein. Als Mama ist es jedoch wichtig, dass Du Zeiten und Methoden findest, um zu entspannen. Stress kann die Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol fördern, was die Milchproduktion hemmen kann. Gerade wenn das Stillen noch nicht ganz so reibungslos klappt, machen sich viele Mütter selbst großen Stress. Hier findest Du ein paar Tipps, wie Du das Wochenbett so entspannt wie möglich gestalten kannst und auch, wie Väter gezielt beim Stillen unterstützen können. Vertraue auf Dich und Deine Fähigkeiten als Mutter. Nicht immer ist alles einfach, aber Du wirst das schaffen!
Weitere Tipps, die Dir und Deinem Baby helfen können:
- Damit das Baby nur an Deiner Brust saugt, solltest Du auf Schnuller verzichten.
- Manchmal ist es nötig, dass Babys mit der Flasche zugefüttert werden müssen, z.B. wenn sie zu langsam zunehmen. Es gibt jedoch spezielle Brusternährungssets, mit denen das Kind an der Brust zugefüttert wird und somit die Milchproduktion trotzdem durch eigenständiges Saugen anregt.
- Um die Milchbildung zu steigern, solltest Du die Brüste so oft es geht entleeren, z.B. mit einer Milchpumpe oder einer Brustmassage. Wärme hilft hier, um die Brust effektiver zu entleeren, da sich durch höhere Temperaturen das Milchfett besser vom Drüsengewebe löst. Es gibt spezielle Temperaturkompressen für die Brust, die Wärme abgeben, es reicht aber auch ein warmer Waschlappen.
- Suche Dir Austausch mit anderen. In speziellen Stillgruppen können sich Mütter untereinander austauschen. Ist dies vor Ort nicht möglich, kannst Du Dich in Foren oder Social Media Kanälen mit anderen Müttern vernetzen.
- Lass Dich von Deiner Hebamme über das Problem beraten und/oder such Dir eine Stillberaterin in Deiner Nähe.
Referenzen:
Academie of Breastfeeding Medicine: Klinisches Protokoll 9: Use of Galactogogues in Initiating or Augmenting Maternal Milk Production. Breastfeeding Medicine 2018; 3: 15.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Wie das Baby wächst und gedeiht. 2019. [zuletzt aufgerufen am 10.05.2022]. URL: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/ernaehrung/0-12-monate/gewichtsentwicklung/
Europäisches Institut für Laktation und Stillen. Domperidon zur Steigerung der Milchmenge bei stillenden Frauen. 2019.
La Leche League. So fließt reichlich Muttermilch. Infoblatt 2012.