Was ist die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte?
Die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist eine der häufigsten angeborenen Fehlbildungen, etwa eines von 500 Babys kommt damit zur Welt. Jungen sind 1,5-mal so oft betroffen wie Mädchen. Bei der Spaltfehlbildung sind Oberkiefer, Lippen und/ oder Gaumen nicht vollends zusammengewachsen. Die Fehlbildung war früher auch als Hasenscharte bekannt, der korrekte medizinische Fachausdruck lautet Cheilognathopalatoschisis und setzt sich aus den lateinischen Wörtern cheĩlos (übersetzt Lippe) und gnáthos (übersetzt Kiefer) zusammen.
Die Fehlbildung entsteht während der Embryonalentwicklung im Mutterleib. Linke und rechte Gesichtshälften entwickeln sich beim Baby zunächst getrennt voneinander, bis sie schließlich von innen nach außen miteinander verwachsen sind. Nase, Oberlippe und Oberkiefer verwachsen normalerweise zwischen der fünften und siebten Schwangerschaftswoche miteinander, die Gaumenbestandteile zwischen der zehnten und zwölften Woche. Zu einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kann es kommen, wenn diese Entwicklungsschritte verzögert stattfinden und die betroffenen Areale somit nicht ordnungsgemäß miteinander verwachsen.
Bei der Fehlbildung unterscheidet man verschiedene Spalttypen. Welcher Typ und welcher Schweregrad hängt davon ab, wann in der Schwangerschaft die Störung der Gesichtsentwicklung aufgetreten ist. Am häufigsten treten mit 50% Wahrscheinlichkeit komplette Kiefer-Lippen-Gaumenspalten auf, 30% haben isolierte Gaumenspalten, bei 20% handelt es sich um Lippenspalten – und/oder -kerben oder Lippen-Kieferspalten.
Meist werden die Fehlbildungen im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen bei einem pränatalen Ultraschall festgestellt.
Ursachen einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
Ursachen, wieso es zu einer Spaltbildung kommt, sind wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt. Es gibt jedoch einige Faktoren, die die Fehlbildung begünstigen können. Dazu zählen beispielsweise:
- Folsäuremangel
- Alkohol-, Drogen-, und Zigarettenkonsum in der Schwangerschaft
- Starker Stress (vor allem in den ersten Schwangerschaftswochen)
- Eine Überdosierung von Vitamin A und E
- Genetische Faktoren. Oft gibt es bei sieben bis zehn Prozent der betroffenen Kinder einen weiteren Fall in der Familie. Ist ein Elternteil betroffen, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Spaltbildung des Kindes bei 17 Prozent.
- Virusinfektionen der Mutter in der Schwangerschaft (z.B. Röteln)
- Strahlungsbelastungen
Symptome und Behandlungsmöglichkeiten
Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kann je nach Ausprägung und Schweregrad verschiedene Beeinträchtigungen hervorrufen. Diese sind unter anderem:
- Stillprobleme
- Schluckprobleme
- Atemprobleme
- Hörstörungen
- Fehlstellung der Zähne
- Sprachentwicklungsstörungen
Die moderne Medizin hat dazu beigetragen, dass eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte mittlerweile gut behandelbar ist und mit weniger gesundheitlichen Einschränkungen einhergeht. Die Behandlung und Therapie ist allerdings langwierig und erfordert Zeit und Geduld. In ausgewiesenen und spezialisierten Spaltzentren arbeiten Logopäden, Kiefer- und Gesichtschirurgen und Kieferorthopäden eng zusammen, um einen individuellen Therapieplan zu erstellen. Kann das Baby durch die Fehlbildung nicht an der Brust der Mutter trinken, kann es sinnvoll sein, das Einsetzen einer sogenannten Gaumenplatte in Erwägung zu ziehen. Diese erleichtert nicht nur die Nahrungsaufnahme, sondern beeinflusst zudem die Position der Zunge positiv und reduziert die Gefahr des Verschluckens. Weiter gibt es spezielle Sauger, die dem Kind das Trinken an der Flasche erleichtern. Durch Primäroperationen werden zunächst Funktionen wiederhergestellt, die das Kind gesundheitlich einschränken, z.B. bei der Nahrungsaufnahme oder durch Atemprobleme. Sekundäroperationen dienen meist dazu, durch chirurgische Maßnahmen die Ästhetik wiederherzustellen.
Neben einer chirurgischen Behandlung können zudem Logopädie, Kieferorthopädie und Psychologie hilfreiche Therapiemöglichkeiten sein. Auch bietet es sich an, eine Stillberatung aufzusuchen, da Babys mit Fehlbildung oft schlecht an der Brust trinken
Insgesamt gibt es kein einheitliches Standardkonzept bei der Behandlung einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Jeder Fall ist individuell und ein Therapieplan muss auf das jeweilige Kind zugeschnitten werden. Mit einer multimodalen Therapie können Kinder, die betroffen sind, ein ganz normales Leben führen. Eine Studie, die etwa 150 Betroffene von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten hinsichtlich ihrer Lebensqualität befragte, kam zu dem Ergebnis, dass kaum Einschränkungen in verschiedenen Bereichen wie schulische Leistungen, Körperwahrnehmung und Psyche herrschen. Obwohl die Kinder mit einer schweren Fehlbildung geboren wurden, zeigen die Befragungsergebnisse, dass ein normales Leben mit einer guten Behandlung möglich ist und die Lebensqualität nicht gezwungenermaßen einschränken muss.
Wende Dich, falls Dein Kind betroffen ist, in jedem Fall immer an ein ausgewiesenes Fachzentrum, das auf die Behandlung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten spezialisiert ist. Hier findest Du noch einen Überblick über Spaltzentren, die es in Deutschland gibt.
Referenzen:
Bressmann et al. Lebensqualitätsforschung bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie 1999. 3; 134-139.
Universitätsspital Zürich. Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. [zuletzt zitiert am 09.06.2022]. URL: https://www.usz.ch/krankheit/lippen-kiefer-gaumenspalten/
Universitätsklinikum Jena. Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten. Patienteninformation [zuletzt zitiert am 08.06.2022]. URL: https://www.uniklinikum-jena.de/mkg/Patienteninformationen/Behandlungsspektrum/Lippen__+Kiefer__+Gaumenspalten.html