Jedes sechste Kind in Deutschland ist übergewichtig. Welche Einflussfaktoren gibt es und wie kann man als Elternteil dem entgegenwirken?

Übergewicht bei Kindern: In Deutschland keine Seltenheit

Jedes sechste Kind in Deutschland ist übergewichtig oder sogar adipös (schwer übergewichtig). Bei den elf bis 13-Jährigen betrifft es sogar jedes fünfte Kind. Ein Übergewicht bei Kindern kann die Gesundheit negativ beeinflussen und vor allem im Erwachsenenalter immense negative gesundheitliche Folgen haben. Ob ein Kind übergewichtig ist, lässt sich durch Errechnung des Body Mass Index (kurz BMI) ermitteln. Hierbei wird das Körpergewicht in Kilogramm durch das Quadrat der Körpergröße in Metern geteilt. Bei Kindern und Jugendlichen ist es allerdings aufgrund der normalen Gewichtsschwankungen während der Entwicklung schwierig, feste Grenzwerte festzulegen, an denen man ermitteln kann, ob ein Kind oder ein Jugendlicher / eine Jugendliche zu viel wiegen. Bei Kindern werden die BMI-Grenzen deswegen statistisch festgelegt: Kinder, deren BMI höher ist als bei 90% der Kinder aus deutschen Vergleichsgruppen, sind demnach übergewichtig, liegt er höher als bei 97% der deutschen Vergleichsgruppen, gilt ein Kind als adipös.

Spätere Folgen von Übergewicht im Kindesalter können sein:

  • Diabetes Typ 2
  • Erkrankungen des Bewegungsapparates
  • Störungen des Hormonhaushaltes
  • Erkrankungen von Herz und Kreislauf (Bluthochdruck, Herzinfarkt)
  • Leberverfettung sowie Gallensteine

Woran liegt es, dass so viele Kinder übergewichtig sind, und welche präventiven Maßnahmen gibt es?

Bereits in der Schwangerschaft kann man als Mutter das Risiko des Kindes, adipös oder übergewichtig zu werden, beeinflussen. Im Schnitt liegt die normale Gewichtszunahme einer Frau während der Schwangerschaft zwischen zwölf und 16 Kilogramm. Liegt die Gewichtszunahme über 17 Kilo, steigt das Risiko, dass auch das Kind ein höheres Geburtsgewicht aufweist. Zu beachten ist auch, dass Frauen mit einem niedrigen Startgewicht in der Schwangerschaft mehr zunehmen, als Frauen mit einem höheren Gewicht vor der Schwangerschaft. Ein Geburtsgewicht, dass bei Mädchen höher als 3890 Gramm und bei Jungen 4040 Gramm beträgt, ist mit einem Risiko für späteres Übergewicht verbunden. In der Schwangerschaft tragen eine ausgewogene und gesunde Ernährung sowie der Verzicht aufs Rauchen erheblich dazu bei, dass Mutter sowie Kind ein gesundes Gewicht aufweisen.

Hier eine kurze Übersicht nach BMI (Body Mass Index) unterteilt, wie viel Kilogramm Zunahme in der Schwangerschaft nicht überschritten werden sollten:

BMI unter 18,5 (Untergewicht): 12 – 18 kg

BMI zwischen 18,5 und 25 (Normalgewicht): 11 – 16 kg

BMI 25 bis 30 (Übergewicht): 7 – 11,5 kg

BMI über 30 (Adipositas): 5 – 9 k

Zahlreiche Studien haben zudem erwiesen, dass Stillen einen positiven Effekt auf die Gewichtsentwicklung von Kindern hat. Muttermilch besitzt zahlreiche positive Eigenschaften und gilt als absolutes Superfood fürs Baby. Die darin enthaltenen Enzyme und Hormone haben viele positive Eigenschaften auf eine gesunde Entwicklung des Kindes. Kinder, die gestillt werden, haben in der Regel ein gesünderes Gewicht als Kinder, die mit industrieller Säuglingsnahrung gefüttert werden. Bei Letzteren ist das Risiko für Übergewicht ab dem ersten Lebensjahr sogar dreimal höher als bei Kindern, die über sechs Monate hinaus ausschließlich gestillt wurden. Stillen kann somit einen wichtigen Grundstein in der gesunden Gewichtsentwicklung legen.

Genetische Veranlagung für Übergewicht bei Kindern

Weniger Einfluss als Betroffener und Außenstehender hat man bei einer genetischen Veranlagung zu Übergewicht. Marburger Forscher fanden heraus, dass Genmutationen dafür verantwortlich sind, dass manche Menschen an Übergewicht leiden. Sogar zu 60% ist Erbmaterial dafür verantwortlich, dass Menschen entweder zu viel oder zu wenig wiegen. Vor allem bei Kindern, die bereits in jungen Jahren starkes Übergewicht haben, liegt meist eine genetische Veranlagung vor. Das Gewicht der Eltern spielt ebenso eine Rolle. Kinder, deren Eltern an Übergewicht leiden, haben ein 80-prozentiges Risiko, selbst einmal übergewichtig zu sein. Sind die Eltern adipös, ist das Risiko sogar 300-mal größer als bei Kindern mit normalgewichtigen Eltern. Auch wenn Gewichtsverlust durch erbliche Komponenten umso schwieriger ist, ist es dennoch möglich. Eine gesunde Ernährung kann langfristig dabei helfen, ein gesundes Körpergewicht zu halten.

Ernährung, Bewegung und Lebensstil

Neben der genetischen Veranlagung sind oft ein ungesunder Lebensstil Gründe für Übergewicht. Viele Kinder essen zu viel und zu süß und Nachmittage werden lieber vor dem Fernseher, als draußen mit einem Spaziergang verbracht. Empfohlen wird, mindestens dreimal pro Woche jeweils eine Stunde körperlicher Aktivität nachzugehen. Das kann ein langer Spaziergang sein, oder auch Fußball spielen. Um Kinder zu motivieren, können Familien auch gemeinsam sportliche Unternehmungen machen oder man meldet sie mit einem Freund / einer Freundin in einem Sportverein an. Vor allem in Zeiten, in denen wir von lauter Medien umgeben sind, ist es wichtig, Kinder zu motivieren sich zu bewegen. Du solltest Dein Kind allerdings zu nichts zwingen. Finde vielmehr etwas, dass es gerne macht.

Leider verbringen viele Kinder und Jugendliche zu viel Zeit vor elektronischen Geräten und bewegen sich so nicht ausreichend. Wenn Du nicht weißt, ob Dein Kind zu viel und zu lang Medien konsumiert, gibt es hier eine kleine Orientierungshilfe: Die optimale Medienzeit sollte zehn Minuten pro Lebensjahr am Tag, oder eine Stunde pro Lebensjahr in der Woche ausmachen. Mit Jugendlichen lässt sich am besten zusammen ein Zeitkontingent ausmachen, das flexibel eingeteilt werden kann.  

Auch in puncto Ernährung kannst Du als Elternteil einen großen Einfluss auf Dein Kind haben. Vor allem kleine Kinder orientieren sich zunächst an dem, was Mama und Papa auf dem Teller haben. Stellst Du von Anfang an eine ausgewogene Ernährung auf den Speiseplan, wird auch Dein Kind Freude daran haben, Gemüse und Obst zu essen. Wichtig ist auch, eine Struktur in die Ernährung zu bekommen, am besten durch feste Essenszeiten. Zwischendurch ein Snack ist mal erlaubt, jedoch solltest Du darauf achten, was Dein Kind snackt. Viele Lebensmittel für Zwischendurch haben zu viel Kalorien und Zucker, geben dafür dem Körper aber nicht viel Energie. Vor allem wenn Dein Kind schon länger an süße Snacks gewöhnt ist, kann eine Umstellung nur Schritt für Schritt erfolgen. Hier kannst Du auch nochmal nachlesen, wie viel Zucker für Kinder eigentlich angemessen ist.

Zudem sollte Dein Kind viel Wasser trinken. Süße Softdrinks wie Cola, Fanta und Co. sind zu meiden. Auch in Säften ist oft viel zu viel Zucker enthalten, weswegen man immer einen genauen Blick auf das Nährstoff-Etikett werfen sollte.

Wie kannst Du Deinem Kind noch helfen, wenn es übergewichtig ist?

  • Führe feste gemeinsame sportliche Aktivitäten ein, z.B. sonntags ist Familien-Wandertag oder eine Radtour steht auf dem Programm. Dein Kind kann mithelfen, eine Route auszusuchen. Auch Ballspiele im Garten oder Park sind für Kinder attraktiv.
  • Kinder und Jugendliche, die unter Übergewicht leiden, leiden oft doppelt, da sie von anderen oftmals gehänselt werden. Du solltest versuchen, mit Deinem Kind darüber zu sprechen. Leidet es sehr unter Hänseleien, hilft es auch, einen Therapeuten / eine Therapeutin zu finden, der/die darauf spezialisiert ist. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, dass ihr eigener Wert nicht abhängig von ihrem Gewicht ist.
  • Habt ihr einen Hund, kannst Du Dein Kind in die Spaziergänge involvieren. Es sollte aber kein Tier nur speziell für diesen Grund angeschafft werden, damit Dein Kind sich bewegt. Die Anschaffung eines Haustieres sollte immer sehr gut überlegt werden.
  • Es gibt spezielle Online-Portale, in denen Präventionsmaßnahmen gesammelt werden, darunter zählen Bewegungsübungen, Entspannungsübungen und Ernährungsempfehlungen.  
  • Auch wenn man als Elternteil oft nur das Beste für sein Kind will, erntet man bei diesem oft vielleicht nur Unverständnis. Wenn Du als Elternteil nicht weiter weißt, gibt es viele Möglichkeiten der Beratung. Das Angebot ‚Übergewicht vorbeugen‘ hat beispielsweise eine Hilfe-Hotline, die Eltern anrufen können, wenn sie ratlos sind.
  • Wenn Dein Kind lieber an der Konsole spielt als draußen, kannst Du beides miteinander verbinden. Mittlerweile gibt es viele Bewegungsspiele für Konsolen und auch Handys, die Deinem Kind Spaß bereiten können und es das Haus nicht verlassen muss.
  • Verzichte beim Kauf auf typische ‚Kinderlebensmittel‘. Diese sind meist unnötig und auch nicht sonderlich gesund.
  • Ist Dein Kind adipös, gibt es Kliniken, die darauf spezialisiert sind. Dort steht nicht nur ein Programm, dass Ernährung und Bewegung miteinander kombiniert an der Tagesordnung, Dein Kind findet auch Gleichgesinnte zum Austauschen. 
  • Wenn Dein Kind zu viel wiegt, solltest Du es immer bei einem Arzt oder einer Ärztin vorstellen, um organische Ursachen auszuschließen. Dieser kann Dir ebenfalls helfen, einen Ernährungsplan aufzustellen. Es gibt allerdings auch Ernährungsberatungen speziell für Kinder. 
  • Krankenkassen bieten ebenfalls Hilfestellungen für übergewichtige Kinder an. Frag einfach bei Deiner Krankenkasse nach, ob sie Angebote im Programm haben.

Referenzen:

Azad M et al. Infant Feeding and Weight Gain: Separating Breast Milk From Breastfeeding and Formula From Food. 2018.

Bundesministerium für Bildung und Forschung. Gesundheitsforschung. Gene – Die wahren Dickmacher. 2003. [zuletzt zitiert am 22.04.2022]. URL: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/gene-die-wahren-dickmacher-1703.php#:~:text=%22Zu%20etwa%2060%20Prozent%20sind,verursachen%20%C3%9Cbergewicht%2C%20andere%20halten%20d%C3%BCnn.

Gesund ins Leben. Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen vorbeugen. 2019. [zuletzt zitiert am 22.04.2022] URL: https://www.gesund-ins-leben.de/fuer-fachkreise/newsletter/aktuelle-meldungen/2019/november-2019/uebergewicht-bei-kindern-und-jugendlichen-vorbeugen/

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