Schreiprobleme bei Babys sind keine Seltenheit
Eltern möchten die Bedürfnisse ihrer Kinder immer so gut es geht erfüllen. Vor allem bei den Kleinsten kann dies manchmal herausfordernd sein, denn diese können sich noch nicht artikulieren, um uns zu sagen, was genau gerade ihr Bedürfnis ist. Oft wird durch Schreien signalisiert, wenn etwas nicht stimmt – das kann z.B. Hunger sein, ein Nähebedürfnis oder Schmerzen. Manche Babys neigen jedoch dazu, häufiger zu schreien als andere. 10 bis 25 Prozent weisen ein besonders starkes Schreiverhalten auf, auch exzessives Schreien genannt. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kind über einen längeren Zeitraum (ca. drei Wochen) an mehr als drei Tagen in der Woche länger als drei Stunden weint und/ oder quengelt. Kinder, die zu exzessiven Schreien neigen, lassen sich meist nur schwer von den Eltern beruhigen, was Letztere meist als Fehler bei sich selbst suchen.
Baby schreit viel: Welche Ursachen können dahinter stecken?
Magenschmerzen: Für ein gesteigertes Schreiverhalten gibt es viele verschiedene Ursachen. Zuerst solltest Du bei auffälligem Verhalten immer bei einem Arzt / einer Ärztin abklären lassen, ob ein körperliches Problem vorliegt, das behandlungsbedürftig ist, z.B. Bauchschmerzen. Hierbei kommt es oft zu vermehrtem Wimmern oder Schreien, Nahrungsverweigerung, Erbrechen und/oder Durchfall. Hausmittel wie Kirschkernkissen, feuchte Wärme mittels einem Waschlappen oder Bauchmassage im Uhrzeigersinn mit Fenchel-Kümmelöl haben sich als solche oft bei Magenbeschwerden bewährt sowie krampflösende und entblähende Medikamente mit dem Wirkstoff Simeticon. Wenn Dein Kind per Kaiserschnitt geboren wurde oder Du oder Dein Kind während oder nach der Geburt ein Antibiotikum erhalten haben, hilft eine Aufbau Darmkur. Wenn sich Symptome nicht bessern oder von Fieber begleitet werden, sollte ein Arzt / eine Ärztin aufgesucht werden. Bei etwa 5% aller Kinder, die viel schreien, sind Magenschmerzen die Ursache.
Dreimonatskoliken: Etwa zwei Wochen nach der Geburt können die Dreimonatskoliken auftreten und bis zu drei Monate andauern. In dieser Phase ist das Kind sehr unruhig und neigt zu einem verstärkten Schreien. Bei Dreimonatskoliken handelt es sich nicht, wie früher oft behauptet, um Magen-/Darmbeschwerden, sondern um eine Regulationsstörung aufgrund der noch nicht ausgebildeten Fähigkeit von Babys, sich selbst zu beruhigen. Durch den Stress, kann es als Begleitsymptom jedoch zu einem aufgeblähten Bauch kommen. Die Dreimonatskoliken sind nur eine Phase, die spätestens nach drei Monaten wieder verschwindet. In dieser Zeit sollten Eltern besonders viel Verständnis und Kuscheleinheiten für ihr Baby aufbringen, da dieses erst lernen muss, wie man seine Emotionen reguliert.
Wachstumssprünge: Ein Sprung ist eine plötzliche Veränderung in der mentalen Entwicklung des Babys. Er kündigt eine Weiterentwicklung an. Die Entwicklungssprünge treten bei allen gesunden Kindern in ungefähr demselben Alter auf, bei manchen heftiger als bei anderen. Sie gehen mit Veränderungen im Gehirn einher, die eine neue Wahrnehmungsfähigkeit mit sich bringen. Ein Sprung besteht aus zwei Phasen:
- Die schwierige Phase, die in der Regel dadurch gekennzeichnet ist, dass sich Dein Kind anhänglicher, weinerlicher und launischer als sonst zeigt. In der Entwicklung des Babys kommt es dann manchmal zum Stillstand oder es findet sogar vorübergehend ein Rückschritt statt. Eltern machen sich deswegen Sorgen oder sind irritiert.
- Eine Phase, in der Dein Baby neue Dinge entdeckt oder bereits bekannte Dinge anders macht. Das Kind hat auf einmal neue Interessen und ist selbstständiger. Versuche Dein Kind von Reizen abzuschirmen und gebe Ihm viel Nähe. Ein Tragetuch oder eine Trage kann Dir in dieser Zeit helfen.
Hunger: Wenn ein Baby Hunger hat, zeigt es dieses meist schon vorher durch kleine Gesten, wie z.B. kleine Bewegungen mit der Zunge. Je mehr Du diese kleinen Hungerzeichen zu deuten lernst, desto weniger wird Dein Kind weinen. In den ersten Tagen und Wochen benötigt Dein Baby spätestens drei bis vier Stunden die Brust oder das Fläschchen. Es gibt allerdings auch Kinder, die öfter und länger an die Brust wollen. Wenn das Baby nicht richtig gestillt werden kann, z.B. durch Stillprobleme oder ein zu kurzes Zungenbändchen, kann dies auch dazu führen, dass das Baby beim Stillen nicht richtig satt wird und danach weint.
In diesen Fällen frag am besten Deine Hebamme um Rat, sie kann Dir eine geeignete Stillposition zeigen oder dich an eine Arzt / eine Ärztin verweisen.
KISS-Syndrom (Kopfgelenk-induzierte Symmetrie-Störung): Bei einer Geburt wird der Körper des Kindes durch den Geburtskanal geboren. Dabei kann es vorkommen, dass vor allem die Halswirbelsäule sehr beansprucht wird und es dort zu Wirbelfehlstellungen kommen kann. Diese können für das Kind unangenehm sein und auch dazu führen, dass sie z.B. den Kopf nur eingeschränkt zur Seite drehen können und Schmerzen haben. Eine manuelle Therapie kann beispielsweise bei Osteopathen erfolgen, die auf Babys spezialisiert sind.
High-Need-Baby: Neigt Dein Kind dazu, seine Bedürfnisse lautstark durch Weinen zu äußern und benötigt viel Körperkontakt? Es könnte sein, dass Dein Kind ein High-Need-Baby ist. High Need Babys reagieren stärker auf äußere Reize und die eigenen Emotionen und äußern diese lautstark. Früher verwendete man häufig den Begriff ‘Schreibaby’, welcher aber aufgrund seines sehr negativen Ausdrucks nicht mehr verwendet wird. High Need Babys fordern ihre Eltern sehr, da sie ständig Aufmerksamkeit wollen, wenig schlafen und sich zudem selten ablegen lassen. Werden Bedürfnisse nicht sofort erfüllt, brechen sie meist in ein sehr intensives Weinen aus. Sie können ihre starken Gefühle meist nicht alleine regulieren und benötigen die Nähe ihrer Eltern besonders stark. High Need ist keine Diagnose, sondern eine Veranlagung. Die Kinder sind nicht krank, sondern haben einfach intensivere Bedürfnisse und Emotionen. Je mehr Eltern sich über die besondere Veranlagung ihres Kindes bewusst sind, desto leichter wird es ihnen fallen, auf sie einzugehen. Der Austausch mit anderen Eltern von High Need Kindern ist für viele Eltern oft ein Segen, da sie merken, dass sie nicht alleine sind.
Was kann ich noch tun, wenn mein Baby viel schreit?
- Die wichtigste aller Regeln lautet: Das Baby niemals schütteln! Hals und Köpfchen sind noch sehr empfindlich und es kann zu schwerwiegenden und sogar tödlichen Verletzungen beim Schütteln kommen. Hektische Beruhigungsversuche sollten generell vermieden werden, da das Baby sonst noch mehr überreizt werden kann.
- Auch wenn es schwer ist, selbst zur Ruhe zu kommen, während ein Baby schreit, solltest Du es versuchen, z.B. durch ein tiefes Ein- und Ausatmen. Je mehr Ruhe Du ausstrahlst, desto mehr wird sich dies auch auf Dein Kind auswirken. Falls Du in einer Situation bist, in der Du das Schreien einfach nicht mehr aushältst, dann leg Dein Kind ins Bettchen und wechsle kurz den Raum, um kurz zur Ruhe zu kommen und Dich innerlich zu sortieren. Führe Dir vor Augen, dass Dein Kind nicht weint um Dich zu ärgern, sondern es ein Bedürfnis hat und Deine Nähe nun besonders braucht.
- Versuche mit Deinem Baby zu kuscheln, es herumtragen und sanft auf es einzureden oder etwas vorzusingen. Wichtig ist, dass du selbst dabei ruhig bleibst. Vielen Eltern hilft dabei eine Tragehilfe.
- Suche Dir Hilfe! Wechsel Dich mit Deinem Partner/ Deiner Partnerin ab und frage Freunde oder Familie, ob sie Dir unter die Arme greifen.
- Versuche Dir kurze Ruhephasen zu verschaffen, lass den Haushalt liegen oder lass ihn durch andere Personen erledigen.
- Sogenannte Schreiambulanzen sind eine gute Anlaufstelle, wenn Du nicht mehr weiter weißt. Fachmännisch geschultes Personal kann Dich psychologisch betreuen und Dich beim Umgang mit Deinem Baby beraten.
- Der Austausch mit anderen Eltern, die in der gleichen Lage sind oder waren, kann erheblich helfen! Du bist nicht allein mit dem Problem und keine schlechte Mutter oder schlechter Vater, weil Du überfordert bist. Es handelt sich nur um eine Phase, die irgendwann vorbeigehen wird. Beratung lässt sich auch anonym über die Initiative Elterntelefon einholen.
Referenzen:
Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin. Eltern Ratgeber Bauchschmerzen – Praxis U-18, Ver. 11/2020.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Wenn Babys viel schreien. [zuletzt aufgerufen am 02.12.2022]. URL: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/entwicklung/0-12-monate/schreien/schreiprobleme/
Heiner Biedermann: KISS-Kinder: Ursachen, (Spät-)Folgen und manualtherapeutische Behandlung frühkindlicher Asymmetrie. Thieme, Stuttgart 2007.
Ohje ich wachse- Entwicklungssprünge, [zuletzt aufgerufen a, 03.12.2022]. URL: https://www.ojeichwachse.de/sprunge/