Gründe gegen das Stillen
Muttermilch steht unangefochten auf dem ersten Platz, wenn es um das Thema gesunde Ernährung geht. Sie ist genau an die Bedürfnisse des Säuglings angepasst und in ihrer Zusammensetzung unkopierbar. Mütter können sich allerdings auch dazu entscheiden, Säuglingsersatznahrung zu geben, anstatt zu stillen. Mögliche Gründe dafür können sein:
- Stillen ist nicht möglich: Bei schwerwiegenden Krankheiten der Mutter (z.B. HIV), der Einnahme von bestimmten Medikamenten oder nach Brustoperationen kann es sein, dass es nicht möglich ist zu stillen. Bitte sprich mit Deinen behandelnden Ärzten, wenn Du Dir unsicher bist, ob Du stillen kannst oder nicht.
- Das Stillen klappt nicht: Auch wenn Bilder von stillenden Müttern immer absolute Harmonie ausstrahlen, kann Stillen auch absoluter Stress bedeuten. Stillprobleme, wie z.B. wunde Brustwarzen oder ein Milchstau, können heftige Schmerzen verursachen, die den Stillvorgang alles andere als harmonisch machen. Auch das falsche Anlegen an die Brust kann den Stillvorgang erschweren und den Milchfluss hemmen. Richtige Stillpositionen können eine Hilfestellung geben, um Stress beim Stillen zu vermeiden. Wenn Schmerzen den Stillprozess auf Dauer unerträglich machen, kann ein Wechsel zur Flaschenkost deutliche Entlastung bringen. Falls Du Probleme mit dem Stillen hast, können Dir Deine Hebamme, Stillberaterin oder Dein Frauenarzt bzw. Deine Frauenärztin helfen.
- Mehr Unabhängigkeit vom Kind: Der Alltag mit einem Neugeborenen stellt zunächst den gewohnten Alltag ziemlich auf den Kopf. Es kann erschöpfend sein, die „Milchbar“ 24 Stunden täglich auf Abruf offen zu halten. Mütter müssen vor allem in der Anfangszeit oft zurückstecken, was die eigenen Bedürfnisse angeht. Mit Flaschenkost lassen sich die Fütterungszeiten auch auf den Vater aufteilen, was Müttern mehr Ruhezeiten verschaffen kann.
- Stillen ist nicht mit dem Beruf vereinbar: Nicht jede frischgebackene Mutter kann es sich leisten, in den Mutterschaftsurlaub zu gehen. Gerade bei Selbstständigen ist dies mitunter schwierig und oft nur mit einem guten finanziellen Polster möglich.
- Angst vor Schönheitsmakeln am Körper: „Vom Stillen bekommt man einen Hängebusen.” Dieses Gerücht mag so gut wie jede Mutter schon mal gehört haben, sogar Nicht-Mütter wissen davon. Aber wie das bei Gerüchten oft der Fall ist: Alles meist nur heiße Luft! Mittlerweile sind die meisten Stillmythen längst überholt. Trotzdem halten sie sich immer noch hartnäckig im kollektiven Gedächtnis und können Mütter zusätzlich verunsichern. Wichtig ist, sich schon in der Schwangerschaft auf das Stillen vorzubereiten, um gut informiert zu sein.
- Hemmungen, in der Öffentlichkeit zu Stillen: Wenn man mit Baby unterwegs ist, bleibt es nicht aus, das Baby auch unterwegs mal anzulegen, wenn der Hunger sich meldet. Das Thema Stillen in der Öffentlichkeit wird zum Teil immer wieder kontrovers diskutiert. Stillen soll Müttern prinzipiell zwar überall möglich sein, in der Praxis sieht dies leider aber oft anders aus. Vor allem beim Stillen in Cafés oder Restaurants sehen sich Mütter mit vielen Unsicherheiten konfrontiert.
Ob Stillen oder Flasche: Die Entscheidung ist jeder Mutter selbst überlassen. Es gibt auch die Möglichkeit, beides miteinander zu kombinieren. Diese Kombi nennt sich auch „Zwiemilch“. Generell gilt: Bei Unsicherheiten sollte man sich an eine Hebamme oder Stillberaterin wenden, um sich umfassend zu informieren und Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen.
Säuglingsersatznahrung: Welche gibt es?
Prenahrung: Wenn man sich gegen das Stillen entscheidet, wird im ersten Lebensjahr Prenahrung empfohlen. Diese ist in der Konsistenz der Muttermilch sehr ähnlich und mit der Bezeichnung „Pre“ ausgewiesen. Sie wird hergestellt auf der Basis von Kuhmilchproteinen und enthält gesättigte und ungesättigte Fettsäuren, die für die gesunde Entwicklung des Kindes nötig sind. Genau wie in Muttermilch enthält sie als einziges Kohlenhydrat Laktose. Frühestens ab dem fünften und spätestens ab dem siebten Monat sollte die Ernährung zusätzlich mit Beikost ergänzt werden.
Bei Babys mit einem erhöhten Allergierisiko (z.B. durch Veranlagung der Mutter oder der Geschwister) kann eine hypoallergene Prenahrung (HA) gefüttert werden. Diese schmeckt oft bitterer, da die darin enthaltenen Milchproteine aufgespalten werden, um Allergien vorzubeugen.
1er-Säuglingsnahrung: Diese Form der Ersatznahrung ist mit einer 1 gekennzeichnet. Sie ist kohlehydrathaltiger als die Prenahrung, da Stärke und Zucker beigemischt werden. Diese Form der Säuglingsersatznahrung gilt als besonders sättigend. Füttere die 1er-Nahrung nur nach Rücksprache mit Deinem Kinderarzt, Deiner Hebamme oder Stillberaterin. In der Regel ist eine Versorgung mit Prenahrung empfohlen. Die Gabe von 1er-Säuglingsnahrung kann aufgrund der höheren Kaloriendichte zu einem erhöhten Gewicht bei Säuglingen führen.
Folgemilch: Diese sind mit einer 2 oder 3 gekennzeichnet. Da sie den Darm sowie Nieren belasten kann, darf Folgemilch erst nach sechs bzw. zehn Monaten gegeben werden und muss mit Beikost kombiniert werden. In der Regel wird von der Gabe von Folgemilch jedoch abgeraten. Bitte sprich mit Deinem Kinderarzt/Deiner Kinderärztin, Deiner Hebamme oder Stillberaterin dazu.
Prenahrung macht somit eine gute Alternative zum Stillen aus. Sie ist an die Muttermilch angepasst, auch wenn deren Zusammensetzung nicht 1:1 kopiert werden kann. Im ersten Lebensjahr sollte Prenahrung gegeben werden, auf Folgemilch und 1er-Säuglingsnahrung kann grundsätzlich verzichtet werden. Ab dem fünften Monat sollte Beikost zugefüttert werden, als Getränk kann man dem Baby Wasser anbieten.
Was sollte man beim Muttermilchersatz beachten?
Produkte für die Säuglingsersatznahrung gibt es wie Sand am Meer. Umso wichtiger ist es, deren Inhaltsstoffe genau unter die Lupe zu nehmen. Wichtig ist, dass man bei Prenahrung darauf achtet, dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren enthalten sind. Die Zugabe von Omega-3 DHA und Omega-6 ARA ist seit dem Jahr 2020 sogar gesetzlich vorgeschrieben. Fettsäuren sind essentiell an der Entwicklung des Nervensystems und der Augen beteiligt.
Ökotest hat nachgewiesen, dass einige Marken von Milchersatzpulver mit Mineralöl verunreinigt sind. Generell ist bei Muttermilchersatzpulver aus ökologischer Landwirtschaft das Risiko einer Schadstoffbelastung geringer einzustufen.
Auch wenn in puncto Säuglingsernährung Muttermilch als gesündeste Variante gilt, ist der Griff zum Fläschchen deswegen nicht automatisch ungesund. Es gilt bei der großen Produktvielfalt genau hinzuschauen, um Babys eine bestmögliche und gesunde Versorgung zu gewährleisten.
Referenzen:
Ausbildungszentrum Laktation und Stillen. Anleitung für Familien, deren Babys mit der Flasche ernährt werden. 2014.
Bartok C. Babies fed breastmilk by breast versus by bottle: a pilot study evaluating early growth patterns. 2010.
Helios Klinikum Krefeld. Ratgeber rund um die Ernährung im ersten Lebensjahr. o.J.
Masaracchia R. Wie, du stillst nicht? Das Praxisbuch für Mütter, die nicht stillen wollen oder können. München: Kösel Verlag; 2012.
Pfisterer V, Rix, M, Wenzel L. Prenahrung im Test: Mineralöl in 12 von 16 Baby-Milchpulvern. Magazin Gesund Grillen Juni 2021 .
Stiftung Warentest. Allergenarme Anfangsnahrung. 2016. Zitiert am 02.02.2021. URL: https://www.test.de/Babymilch-im-Test-Achtmal-gut-einmal-mangelhaft-5032864-5032895/
WHO/Unicef. Initiative „Babyfreundliches Krankenhaus.“ Anleitung für die Zubereitung künstlicher Säuglingsmilch. 2009.