Kinder gleichen in den ersten Lebensmonaten und Lebensjahren kleinen Abenteurern. Sie verfolgen mit größtem Interesse alles, was um sie herum passiert und habe große Freude daran, ihre Umgebung aktiv zu erkunden. Dabei erlangen sie gleichzeitig auch ein besseres Verständnis für ihre soziale und physische Umgebung. Ihr Spielverhalten nimmt dabei eine wichtige Rolle ein. Die Art, wie ein Kind spielt, durchläuft dabei über die ersten Lebensjahre hinweg starken Veränderungen. Das Spielverhalten sehr kleiner Kinder zeichnet sich beispielsweise dadurch aus, dass sie alles mit den eigenen Sinnen, mit dem Mund und später mit den Händen erkunden, und so die Grenzen ihrer physischen und sozialen Umwelt austesten. Etwas ältere Kinder hingegen zeigen ein etwas strukturierteres Spielverhalten. Sie sind etwa in der Lage, sich an Regeln zu halten und ihr Verhalten auf andere abzustimmen.
Da die Art, wie Dein Kind spielt, seinen oder ihren aktuellen Entwicklungsstand widerspiegelt, variiert das Spielverhalten über die Jahre hinweg sehr stark. Das Spiel Deines Kindes reflektiert also was das Kind bereits gelernt hat und was es noch nicht versteht. Die Entwicklungsschritte, die Kinder dabei durchlaufen, sind dabei bei allen Kindern gleich, wohingegen die Geschwindigkeit, mit der ein Kind die Entwicklungsschritte durchläuft, sehr stark von Kind zu Kind variieren kann.
Welche Bedeutung hat das kindliche Spielverhalten für die Entwicklung des Kindes?
Während die Gene und die soziale Umgebung von Kindern eine sehr starke Rolle für die Entwicklung und auch die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten von Kindern spielen, nimmt auch das Verhalten des Kindes selbst eine große Bedeutung für einen gesunden Entwicklungsverlauf ein. Kinder haben ein angeborenes Interesse daran, ihre Umgebungen zu erkunden und nutzen dabei ihr Spielverhalten, um die physikalischen und sozialen Regeln ihrer Umwelt auszutesten und letztendlich zu verstehen. In den ersten Lebensjahren experimentieren sie, auf eine spielerische Art und Weise, mit ihrem eigenen Verhalten und damit wie sie auf ihre Umwelt reagieren. Dies führt dazu, dass sich ihr Wissen, das sie von der Welt haben, kontinuierlich erweitert.
Welches Spielverhalten ist in welchem Alter üblich?
Das Spielverhalten von Säuglingen zeichnet sich durch ein aktives Erkunden mit dem Mund, den Händen und, etwas später, mit den Augen aus
In den ersten Wochen nach der Geburt sind die Bewegungen von Säuglingen noch unkontrolliert. Obgleich sie mit großem Interesse ihre Umwelt und vor allem die Menschen in ihrer Umgebung betrachten, fällt es ihnen zu Beginn noch schwer Gegenstände oder Personen mit den Augen zu verfolgen. Allmählich, einige Wochen nach der Geburt, sind sie zunehmend in der Lage, willkürliche und koordinierte Bewegungen auszuführen. Sobald es ihnen möglich ist, erforschen sie dann aktiv ihre Umwelt.
Zunächst, im Alter von etwa drei bis sechs Monaten, sobald es in der Lage ist, die Hände zum Mund zu führen, erkundet Dein Kind, seine oder ihre Umwelt überwiegend mit dem Mund, den Lippen oder der Zunge. In dieser Phase steckt sich Dein Baby alle neu entdeckten Objekte in den Mund und läuft somit häufig Gefahr kleinere Gegenstände zu verschlucken. In dem Zeitraum nach dem ersten Geburtstag wird dieses Verhalten zunehmend seltener bis es dann schließlich ab einem Alter von etwa 15 Monaten ganz verschwunden ist.
Etwas später, im Alter von etwa vier bis sieben Monaten gehen Babys dann dazu über, die Gegenstände in ihrer Umgebung mit den Händen zu erkunden. Dabei befühlt und betastet Dein Kind die unterschiedlichen entdeckten Objekte, schlägt Gegenstände aneinander, schüttelt sie, oder wirft sie zu Boden. Auch dieses Spielverhalten lässt mit der Zeit nach und taucht schließlich nur noch auf, wenn Dein Kind zuvor unbekannte Objekte entdeckt.
Sobald Dein Baby dann mit etwa fünf bis neun Monaten dazu in der Lage ist, die Bewegung von Händen und Augen aufeinander abzustimmen, wird Dein Kind seine Umgebung vorzugsweise mit den Augen erforschen. In dieser Entwicklungsphase wird es nicht mehr alles was es entdeckt mit dem Mund oder mit den Händen erkunden, sondern zunächst nur betrachten und, anschließend, Objekte, die sein oder ihr Interesse wecken mit dem Zeigefinger abtasten.
Sobald die Gedächtnisfunktion des Kindes ausreichend entwickelt ist, ist es in der Lage auch nach Gegenständen, die sich außerhalb von seinem oder ihrem Blickfeld befinden, zu suchen
Damit Kinder von den Erfahrungen, die sie beim Spielen machen, lernen können, müssen sie dazu in der Lage sein, die gemachten Erfahrungen im Gedächtnis zu speichern. Ergebnisse wissenschaftlicher Studien belegen, dass Kinder, die nur wenige Monate alt sind, noch nicht die Fähigkeit entwickelt haben Gegenstände, die aus ihrem Blickfeld verschwunden sind, zu repräsentieren. Sie konnten dieses Phänomen, das von Psychologen als Objekt Permanenz bezeichnet wird, vielleicht schon bei Deinem eigenen Kind feststellen. So zeigt sich Dein Kind in den ersten paar Monaten nach der Geburt beispielsweise sehr überrascht, wenn Dein Gesicht, nachdem Du es kurz hinter einem Tuch oder Deinen Händen versteckt hast, wieder auftaucht. Im Laufe der Zeit verbessert sich die Gedächtnisfunktion Deines Kindes dann fortwährend. Mit etwa zehn bis fünfzehn Monaten ist das Gedächtnis Deines Kindes dann so weit entwickelt, dass es nach Gegenständen sucht, die beispielsweise durch ein Tuch verdeckt sind.
Babys haben am meisten Interesse an einem Spiel, wenn ihr Verhalten einen Einfluss auf den Verlauf des Spiels hat
Entwicklungspsychologen haben herausgefunden, dass Babys am meisten Freude an einem Spiel haben, wenn sein oder ihr Verhalten im Spiel mit einem direkten, beobachtbaren, Effekt verbunden ist. Ihr Baby wird also erhöhtes Interesse an einem Spiel zeigen, wenn es aktiv an seinem eigenen Spiel teilnimmt. So konnten Forscher beispielsweise belegen, dass ein Baby ein über seinem oder ihrem Bett befestigten Mobile länger betrachtet, wenn es die Bewegungen des Mobiles über eine an seinem oder ihrem Bein befestigte Schnur selber steuern kann.
Ab einem Alter von etwa sieben bis dreizehn Monaten zeigen Kinder große Freude daran eine Glocke zu läuten, da sie beginnen zu verstehen, dass das Läuten der Glocken mit dem Erklingen eines Tones verbunden ist. Im Alter von etwa acht bis elf Monaten sind Kinder dann meistens in der Lage Spielzeugautos mit den Händen zu steuern. Zudem konnte beobachtet werden, dass Kinder dann im Alter von etwa elf bis achtzehn Monaten Spielzeugautos selbstständig anschieben.
Als Resultat der aktiven Erkundung ihrer Umwelt entwickeln Kinder ein räumliches Verständnis, wodurch es ihnen beispielsweise möglich ist, mit Klötzen zu bauen
Sobald Kinder verstanden haben, dass sie mit ihrem Verhalten einen direkten Effekt in ihrem Umfeld erzeugen können, versuchen sie als nächstes eine Erklärung für die Ursache des beobachteten Effekts zu finden. Nachdem Dein Kind beispielsweise entdeckt hat, dass das Schütteln einer Rassel ein Geräusch erzeugt, versucht es der Ursache dieses Geräusches auf den Grund zu gehen. In dieser Entwicklungsphase, die etwa gegen Ende des ersten Lebensjahres beginnt und gegen Ende des zweiten Lebensjahres anhält, manipulieren Kinder aktiv mit den Händen ihre Umwelt, um ein besseres Verständnis von dieser zu erlangen. Sie räumen zum Beispiel zahlreiche Taschen, Schubladen oder Schränke aus und lernen einige Zeit später wie sie diese wieder einräumen.
Durch die Entwicklung eines Verständnisses für dreidimensionale Räume, entwickeln Kinder dann allmählich die Fähigkeit zu bauen. Sie können Objekte, beispielsweise Klötze, aufeinanderstapeln und so Türme errichten. Dabei erlernen Kinder zunächst das Bauen in die vertikale und dann, anschließend, das Bauen in die horizontale. Im Laufe des dritten Lebensjahres kombinieren Kinder dann beides und können somit beispielsweise Brücken oder Sandburgen bauen.
Kinder lernen zuerst die Unterscheidung übergeordneter Kategorien, bevor sie die Unterschiede zwischen untergeordnete Gruppen erkennen können
Bereits im ersten Lebensjahr ist Dein Baby dazu in der Lage verschiedene Bilder voneinander zu unterscheiden. Dabei können Kinder zunächst nur Bilder, die Abbildungen übergeordneter Kategorien enthalten, unterscheiden. So fällt es ihnen zunächst leichter die Verschiedenartigkeit von Bildern von Tieren, Pflanzen und Fahrzeugen zu erkennen als von unterschiedlichen Tierarten, wie Kühen, Hunden und Pferden. Im Laufe der Entwicklung verbessert sich die Fähigkeit von Kindern die Unterschiede zwischen einzelnen Bildern oder Objekten zu erkennen stetig. Als Resultat sind sie, beginnend ab etwa dem achtzehnten Monat nach der Geburt, dann dazu in der Lage Spiele zu spielen, bei denen Objekte oder Bilder anhand der Form oder Farbe, verschiedenen Gruppen zugeordnet werden sollen.
Während die Zeichnungen von Kindern zunächst noch formlosem Gekritzel gleichen, nehmen sie im Laufe der ersten Lebensjahre immer mehr Form an
Der Zeitpunkt, zu dem Dein Kind beginnt mit Stiften zu malen und zu zeichnen, hängt von seinem oder ihrem kognitiven Entwicklungsstand ebenso wie seiner oder ihrer Feinmotorik, sowie Motivation und Übung ab. Die meisten Kinder beginnen mit der Nutzung von Stiften zwischen dem elften und achtzehnten Lebensmonat. Dabei gleichen die Zeichnungen der Kinder zunächst formlosem Gekritzel, bei dem für die Eltern keine Form oder Bedeutung zu erkennen ist. Ab etwa dem dritten Lebensjahr ist die Zeichenfähigkeit von Kindern dann soweit ausgereift, dass Betrachter die Bedeutung des Gezeichneten erkennen können. Etwas später, ab etwa dem vierten Lebensjahr, beginnen Kinder für gewöhnlich bildlich zu zeichnen, zum Beispiel durch das Zeichnen von ganzen Figuren oder Bäume.
Kleine Kinder zeigen, mit zunehmender Entwicklung, immer mehr Freude an körperlichen Aktivitäten, die dann im Jugendalter allmählich wieder nachlässt
Die Entwicklung in den ersten Lebensjahren geht mit einem zunehmenden Bewegungsdrang der Kinder einher. Kinder im Vorschulalter gehen also meist mit großer Freude körperlichen Aktivitäten wie Springen, Klettern oder Tanzen, ebenso wie Aktivitäten wie Malen und Basteln, nach. Jedoch unterscheiden sich auch jüngere Kinder sehr stark in ihrem Interesse an körperlichen Betätigungen. Während einige Kinder motorisch sehr aktiv sind und sich häufig und viel bewegen, bevorzugen es andere Kinder hingegen ruhigeren und langsameren Spielen nachzugehen. Die Präferenzen der Kinder sind dabei abhängig von dem Alter des Kindes, dem Geschlecht, wobei Jungen häufig mehr Freude an körperlichen Aktivitäten zeigen, sowie dem Temperament des Kindes.Erst im Teenageralter nimmt der Bewegungsdrang dann wieder etwas ab.
Mit dem Erreichen des zweiten Lebensjahres nutzen Kinder immer häufiger die eigene Vorstellungen, wenn sie spielen
Aufgrund der stetigen Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten, einschließlich der Gedächtnisfunktion, können Kinder immer häufiger während des Spiels Gebrauch von der eigenen Fantasie machen. Dabei beginnen sie zum Beispiel im Alter von etwa acht bis fünfzehn Monaten im imaginären Spiel Gegenstände, wie Telefone, Tassen oder Gabeln zu verwenden. Gegen Ende des zweiten Lebensjahres ist ihre Vorstellungskraft dann soweit ausgereift, dass sie sich einen Gegenstand als etwas Anderes vorstellen können und diesen spielerisch verwenden. So kann man beispielsweise in diesem Alter häufig beobachten, dass Kinder eine Banane als Telefon oder ein Handtuch als Schleier verwenden. Ab etwa dem dritten Lebensjahr werden dann die Puppen und Kuscheltiere, in der Vorstellung des Kindes, selbst aktive Teilnehmer des Spiels. Dabei hält sich die Puppe zum Beispiel selber das Handy ans Ohr oder kämmt sich selbst mit einem Kamm das Haar.
Die spielerische Interaktion mit ihren Mitmenschen ist für die Entwicklung von Kindern sehr wichtig
Bereits im sehr jungen Alter zeigen Babys ein ausgeprägtes Interesse an ihren Mitmenschen; so blicken sie bereits kurz nach der Geburt länger auf die Gesichter von Menschen als auf Gegenstände und zeigen sich fasziniert von menschlichen Stimmen. Im weiteren Verlauf ihrer Entwicklung sind sie dann auch allmählich in der Lage die positiven Emotionen, die sie im Umgang mit anderen empfinden, zu zeigen. Sie beginnen zum Beispiel mit anderen, wenn auch zunächst unverständlich, zu plaudern und während sozialen Interaktionen voller Freude zu strampeln. Gegen Ende des ersten Lebensjahres sind Kinder dann allmählich zu Gesten wie Winken und mit dem Finger zeigen fähig. Allmählich entwickeln sie dann die Fähigkeit an sozialen Spielen, wie an dem hin- und her rollen eines Balles teilzunehmen und lernen das Konzept von Geben und Nehmen zu verstehen.
Die Art und Weise wie Kinder spielen spiegelt ihren Entwicklungsstand wider
Das Spielverhalten Deines Kindes wird sich also mit seinem oder ihrem Entwicklungsstand fortlaufend ändern. Dabei können sehr große Unterschiede zwischen Kindern, in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem sie einen bestimmten Entwicklungsschritt erreicht haben, auftreten. Jedoch solltest Du dich nicht sorgen, sollte Dein Kind ein bestimmtes Verhalten noch nicht zeigen, welches wiederum bei einem anderen Kind schon sehr weit entwickelt ist. Auch wenn Dein Kind ein bestimmtes Verhalten noch nicht zeigt, ist es womöglich in einem anderen Bereich deutlich weiterentwickelt. Verschiedenen Fähigkeiten sind bei demselben Kind oft sehr unterschiedlich weit entwickelt. So ist häufig ein Entwicklungsbereich sehr viel weiter ausgereift als ein anderer und dessen Fähigkeit in diesem Bereich daher auch deutlich besser entwickelt.
Hier noch einmal das Wichtigste in Kürze:
- Das Spielverhalten von Kindern unterläuft in den ersten Lebensjahren sehr vielen Veränderungen
- Kinder nehmen in ihrer Entwicklung eine aktive Rolle ein; sie testen durch ihr Spielverhalten die physischen und sozialen Grenzen ihrer Umwelt aus und erlangen so ein besseres Verständnis von der Welt
- Die Art und Weise auf welche ein Kind bevorzugt spielt spiegelt dabei den Entwicklungsstand des Kindes wider, wobei sich der Entwicklungsstand eines Kindes in unterschiedlichen Bereichen stark unterscheiden kann
Referenzen:
Bonhoeffer J, Jenni, O. Das frühkindliche Spielverhalten – ein Spiegel der kognitiven Entwicklung. Pädiatrie up2date 2018; 13(04):303-321.
Siegler R, Eisenberg N, & DeLoache J. How children develop. New York, NY: Worth 2011.