Nikotin kann Atemwege lähmen
Dass Nikotin gesundheitsschädigend für Babys ist, ist kein Geheimnis. Rauchen in und nach der Schwangerschaft wird nicht nur mit einem höheren Risiko für den Plötzlichen Kindstod, Früh- und Fehlgeburten in Verbindung gebracht, sondern auch mit Entwicklungstörungen des Fötus und einem höheren Risiko Allergien oder Asthma zu bekommen. Studien der letzten Jahre haben ergeben, dass bereits eine Zigarette am Tag während der Schwangerschaft das Risiko für den Plötzlichen Kindstod sogar verdoppeln kann. Aber auch der Grund dafür wurde gefunden: Nikotin kann offenbar wichtige Atemreflexe von Neugeborenen lähmen.
Die Tests wurden bei schwangeren Ratten durchgeführt, denen durch eine Minipumpe Nikotin verabreicht wurde. Das Nervengift wurde vor der Geburt über die Plazenta und nach der Geburt über die Muttermilch an die Rattenbabys weitergegeben. Forscher simulierten bei den Tieren eine Atemnot, wie sie etwa entstehen kann, wenn eine Decke oder ein Stofftier über dem Gesicht eines Kindes liegt. Bei gesunden Tieren, die keinem Nikotin ausgesetzt waren, wurde reflexartig die Mundbodenmuskulatur aktiviert, welche die oberen Atemwege freihält. Bei neun von zwölf Tieren, die vor und nach der Geburt Nikotin ausgesetzt waren, setzte eben dieser Reflex nicht ein. Die Atemwege waren wie gelähmt und konnten keine Rettungsantwort des Atemsystems ausführen.
Zwar können Ergebnisse aus Tierversuchen nur bedingt Rückschlüsse auf menschliche Prozesse geben, allerdings lassen gleiche neurologische Abläufe und Ähnlichkeiten im Atemsystem beider Lebensgattungen durchaus anwendbare Vergleiche zu. Das Ergebnis, dass Nikotin die Atemreflexe lähmen kann, passt zudem zu dem Zusammenhang zwischen Rauchen in der Schwangerschaft und dem Plötzlichen Kindstod. Auch hier ist vermutbar, dass durch das Nervengift Nikotin die Atemwegsreflexe von Babys soweit gelähmt werden können, dass sie nicht mehr ausreichend reagieren, wenn eine zusätzliche Belastung (z.B. Atemnot durch Decke) des Atemsystems vorliegt. Jede Zigarette, die geraucht wird, erhöht wissenschaftlich erwiesen das Risiko für den Plötzlichen Kindstod. Sechs bis sieben gerauchte Zigaretten am Tag können beim ungeborenen Kind sogar die gleichen Verhaltensstörungen hervorrufen, wie durch die Einnahme von illegalen Drogen wie Crack, Heroin oder Kokain. Je mehr Nikotin konsumiert wird, desto größer sind die Verhaltensstörungen beim Baby.
Was ist mit E-Zigaretten und Passivrauch?
Auch rauchende Väter können ihre Kinder durch Nikotin gefährden, auch wenn nur draußen geraucht wird. Das Nikotin kann in der Kleidung, der Haut und den Haaren haften und so von den Kindern leicht eingeatmet oder in die Wohnung gebracht werden. Auch von Räumen, in denen länger nicht mehr geraucht wurde, geht eine Gefahr aus, da Nikotin von allen im Raum befindlichen Oberflächen absorbiert wird und über Monate hinweg daran haften bleiben kann. In kaltem Rauch konnten sogar mehr krebserregende Substanzen festgestellt werden, als in frischem Tabakrauch. Väter, die draußen rauchen, können somit frischen Tabakrauch in die Wohnung bringen, der sich dort zu kaltem Rauch entwickelt, welcher noch mehr Gefahrenpotential aufweist, als frischer. Vor allem kleine Kinder, die über den Boden krabbeln und noch alles in den Mund stecken, sind aufgrund der Nikotinablagerungen auf Gegenständen und Oberflächen gefährdet. Sich umzuziehen und den Raum zu lüften, kann zwar ein wenig bringen, trotzdem kann es nicht vermieden werden, dass sich Nikotinrückstände (z.B. aus den Haaren) im Raum absetzen.
Auch E-Zigaretten sind keine Alternative zur Zigarette, denn auch hier wird Nikotin verdampft und in die Umgebung abgebeben. Auch andere Stoffe, die als krebserregend und gesundheitsschädigend gelten, sind in dem Dampf enthalten. Da dieser als Nebel aus ultrafeinen Flüssigkeitspartikeln besteht, können diese besonders tief in die Atemwege gelangen.
Wer sein Kind schützen möchte, sollte einen komplett rauchfreien Haushalt anstreben. Auch nur im Auto zu rauchen ist keine Alternative, da Kinder sich dort ebenfalls aufhalten und Rauch passiv aufnehmen. Mittlerweile gibt es viele Hilfsmittel und Programme, die Erwachsenen dabei helfen können, das Rauchen aufzuhören. Zum Schutze seines Kindes sollte man dies auf jeden Fall in Erwägung ziehen.
Referenzen:
Anderson et al. Maternal Smoking Before and During Pregnancy and the Risk of Sudden Unexpected Infant Death. Pediatrics Volume 143, Issue 4. 2019.
Law et al. Smoking during pregnancy and newborn neurobehavoir. Pediatrics 2003 Jun; 111 (6 Pt 1).
Wollmann et al. Developmental Nicotine Exposure Alters Synaptic Input to Hypoglossal Motoneurons and Is Associated with Altered Function of Upper Airway Muscles. 2019.