In Deutschland ernähren sich rund 6,5 Millionen Menschen rein vegetarisch, mit Veganern eingerechnet sind es sogar circa 8 Millionen. Eine fleischfreie Ernährungsweise ist beliebter denn je und im Restaurant schon lange keine „Sonderbarkeit“ mehr. Können Frauen, die sich vegetarisch ernähren, auch in der Schwangerschaft ihre Ernährungsweise fortführen? Die gute Nachricht ist: Es geht! Studien haben ergeben, dass eine fleischfreie Ernährung in der Schwangerschaft kein Problem darstellt, sofern sie ausgewogen ist und gut auf die Nährstoffversorgung geachtet wird. Welche Nährstoffe das genau sind und wie Du und Dein Nachwuchs bestens versorgt seid, verraten wir Dir im Folgenden.
Vorteile einer vegetarischen Kost
Vegetarisch zu leben, wird nicht nur mit vielen gesundheitlichen Vorteilen assoziiert, sondern ist zudem mit der veganen Ernährung voll im Trend. Immer mehr Menschen entscheiden sich dazu, Fleisch gänzlich von ihrem Speiseplan zu streichen. Viele Studien haben mittlerweile ergeben, dass eine ausgewogene vegetarische Ernährung in der Schwangerschaft nicht nur möglich ist, sondern sogar auch gesundheitliche Vorteile für Mutter und Kind birgt – sofern eine vollwertige Nährstoffzufuhr gesichert ist. So ergaben wissenschaftliche Studien, dass eine vegetarische Ernährungsform nicht nur das Risiko senkt, an Übergewicht und Adipositas zu leiden, sondern auch an Diabetes mellitus Typ 2, rheumatoider Arthritis und Hypertonie zu erkranken. Diese positiven Effekte sind darauf zurückzuführen, dass Menschen, die sich vegetarisch ernähren, meist weniger Probleme mit ihrem Gewicht und Bluthochdruck haben und einen niedrigeren Cholesterinwert aufweisen.
In der Schwangerschaft benötigt das Kind viele gesunde Nährstoffe, die ihm bei der Entwicklung helfen. Eine ausgewogene vegetarische Ernährung führt zu einem normalen Wachstum. In den ersten fünf Jahren neigen vegetarisch ernährte Kinder öfter dazu, leicht schlanker zu sein als Kinder, die mit Fleisch ernährt werden. Das Risiko, bereits in der Kindheit an Adipositas zu erkranken, ist somit relativ gering gehalten. Um rein positive Effekt aus dieser Ernährungsweise zu ziehen, muss die Ernährung ausgewogen und eine ausreichende Nährstoffversorgung gewährleistet sein.
Im Folgenden zeigen wir Dir, welche Nährstoffe besonders wichtig sind und wie man den empfohlenen Bedarf erreicht.
Vegetarische Ernährung in der Schwangerschaft: B12-Wert im Auge behalten
B12 ist ein wichtiges Vitamin, das vor allem in tierischen Lebensmitteln enthalten und wichtig für Nervenfunktionen, Blutbildung und Zellteilung im Körper ist. Vegetarierinnen, die Milchprodukte und Eier zu sich nehmen (sogenannte Ovo-Lacto-Vegetarierinnen), neigen weniger zu einem B12- Mangel, da das Vitamin auch in diesen tierischen Produkten enthalten ist. Trotzdem kann die Versorgung unter Umständen nicht ausreichen. Vitamin-B12-Reserven können zwar über einige Jahre im Körper gespeichert werden, jedoch solltest Du Deinen Wert vor allem dann kontrollieren lassen, wenn Du Dich schon länger fleischlos ernährst. Eine Unterversorgung von B12 kann sich in der Schwangerschaft nämlich negativ auf die körperliche Entwicklung des Kindes im Mutterleib auswirken.
Falls ein Mangel vorliegt oder Du diesem entgegenwirken willst, bietet sich eine Vitamin-B12- Supplementierung an, diese wird meistens als Tropfen oder Spray angeboten. Bei der Verwendung von Supplementen ist immer darauf zu achten, dass diese nicht überdosiert werden. Die tägliche Zufuhrempfehlung für Erwachsene liegt bei 4 µg pro Tag. Für Schwangere wird eine B12-Versorgung von 4,5 µg pro Tag angesetzt, bei stillenden Frauen liegt die Empfehlung sogar bei 5,5 µg pro Tag. Um einen Vitamin-B12-Mangel auszuschließen, wird als Diagnostik die Bestimmung von Holo-TC (Holo-Transcobalamin) und MMA (Methylmalonsäure) empfohlen.
Liegt kein Vitamin-B12-Mangel bei der Mutter vor, müssen Neugeborene keine Supplementierung erhalten, da sie über die Muttermilch B12 aufnehmen. Besteht eine Unterversorgung beim Kind, wird bei Säuglingen laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung eine Vitamin-B12-Zufuhr von 0,5 µg pro Tag bis zum vierten Monat empfohlen. Ab dem vierten Monat kann die Zufuhr auf 1,4 µg pro Tag gesteigert werden. Eine Supplementierung, vor allem beim Kind, sollte niemals ohne ärztliche Absprache erfolgen.
Omega-3-Fettsäuren: Alternativen zu Fisch sind gefragt
Omega-3-Fettsäuren sind essentiell an wichtigen, protektiven Körperfunktionen beteiligt. Sie wirken sich nicht nur blutdrucksenkend aus, auch hemmen sie Entzündungen im Körper und reduzieren so das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen. Omega-3-Fettsäuren sind vor allem in Fisch (Thunfisch, Hering, Lachs) enthalten, können allerdings auch rein pflanzlich aufgenommen werden: Hochwertige Öle wie Walnuss- Lein- und Rapsöl sind ebenfalls reich an Omega 3. Da manche Öle hitzeempfindlich sind und einen Teil der hochwertigen Nährstoffe bei hohen Temperaturen verlieren können, ist eine Omega-3-Zufuhr vor allem dann gesichert, wenn das Öl keiner oder nur geringer Hitze ausgesetzt ist, beispielsweise als Dressing im Salat. Es gibt auf dem Markt zudem verschiedene Präparate und Produkte aus Mikroalgen, die ebenfalls reich an Omega-3-Fettsäuren sind. Die Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (kurz: DHA) ist wichtig für das Wachstum und die Entwicklung des Gehirns, was vor allem in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft wichtig für das Ungeborene ist. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung werden Schwangeren und Stillenden mindestens 200 mg DHA pro Tag empfohlen. Für Schwangere, die auf Fleisch, aber nicht auf Fisch verzichten, werden zwei Portionen Meeresfisch pro Woche empfohlen. Pflanzliche Öle wie Lein- und Rapsöl sollten ebenfalls öfter Verwendung in der Küche finden.
Vegetarische Ernährung in der Schwangerschaft: Eisen, Eisen, Eisen
In der Schwangerschaft steigt der Eisenbedarf drastisch an, da viel Eisen für Plazenta und Fötus im Körper benötigt wird. Ein Mangel kann sich deswegen drastisch auswirken und das Risiko für eine Frühgeburt erhöhen oder zu einem niedrigen Geburtsgewicht des Kindes führen. Schwangere sollten deswegen ihren Eisenwert im Auge behalten und bei einer Unterversorgung unbedingt gegensteuern. Die empfohlene Eisenzufuhr bei Schwangeren liegt bei 30 mg pro Tag und ist doppelt so hoch angesetzt wie bei Nichtschwangeren mit 15 mg pro Tag. Eine Eisensupplementierung sollte immer nur dann erfolgen, wenn eine ärztlich diagnostizierte Unterversorgung vorliegt.
Hier eine kleine Übersicht über vegetarische Lebensmittel, die reich an Eisen sind:
- (Vollkorn-)Getreideprodukte, z.B. Haferflocken, Müsli, Vollkornbrot und Hirseflocken
- Nüsse, Kerne und Samen, wie Mandeln, Sonnenblumenkerne, Kürbiskerne, Leinsamen, Haselnüsse
- Produkte aus Sojabohnen, z.B. Tofu
- Gemüse, wie Brokkoli, Rosenkohl, Rote Beete
- Obst, wie schwarze Johannisbeeren, Himbeeren, Trockenobst (vor allem Aprikose und Feige)
- Hülsenfrüchte, wie Linsen, Kichererbsen, weiße Bohnen
Eisen, das nicht aus Fleisch oder Fisch stammt, wird vom Körper besser in Kombination mit Vitamin C aufgenommen. Ein Glas Orangensaft beim Essen oder Beeren als Ergänzung im Müsli können die Eisenzufuhr so ganz einfach und unkompliziert verbessern. Verzichte vor oder während der Mahlzeit auf Kaffee oder schwarzen Tee, dies behindert die Eisenaufnahme.
Zinkzufuhr durch Sojaprodukte sichern
Frauen, die sich seit längerer Zeit vegetarisch ernähren, können eine niedrigere Zinkzufuhr haben. Zink ist jedoch für die Zellteilung, das Wachstum und den Stoffwechsel enorm wichtig. Gerade in der Schwangerschaft werden diese drei Komponenten stark gefordert, weswegen der Körper einen erhöhten Bedarf an Zink stellt. Wichtige Zinkquellen sind Sojaprodukte, Körner und Nüsse. Der empfohlene Bedarf liegt bei Schwangeren bei 10 mg Zink pro Tag.
Jodmangel häufig bei Schwangeren
Jod ist essentiell an einer gesunden körperlichen und geistigen Entwicklung des Kindes beteiligt. In der Schwangerschaft steigt der Jodbedarf an und liegt bei etwa 230 µg pro Tag. Auch bei der Verwendung von Jodsalz in der Küche liegt vor allem bei Schwangeren häufig ein Mangel vor. Vegetarierinnen, die keinen Meeresfisch essen, sollten ihren Bedarf über Lebensmittel decken, die mit jodiertem Speisesalz hergestellt wurden. Dazu zählen z.B. Brot, Meeresalgen, aber auch Milchprodukte. Da der Jodgehalt vor allem in getrockneten Algenprodukten sehr hoch sein kann, sollten diese nur in Maßen verzehrt werden.
Schon vor der Schwangerschaft wird bei Kinderwunsch oft die Supplementierung von Jod empfohlen, um den Körper bestmöglich darauf vorzubereiten. Falls eine Schilddrüsenerkrankung vorliegt, sollte jedoch vor einer Supplementierung immer zuerst Rücksprache mit einem Arzt gehalten werden.
Sofern Vegetarierinnen sich gesund, ausgewogen und ovolaktisch ernähren, ist eine vegetarische Ernährungsweise in der Schwangerschaft unproblematisch. Jedoch sollten die im Text vorgestellten Werte regelmäßig kontrolliert werden, um eine bestmögliche Versorgung für Mutter und Kind zu gewährleisten. Veganerinnen sollten jedoch besonders auf eine ausreichende Nährstoffversorgung und Supplementierung achten. Bei Unsicherheiten solltest Du eine Ernährungsberatung in Betracht ziehen oder Deine Hebamme fragen. Supplementierungen in der Schwangerschaft sollten vorher immer ärztlich abgesprochen werden.
Referenzen:
Plank R. Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. Sicherheit und Risiken vegetarischer und veganer Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und den ersten Lebensjahren. 2019.
Koletzko B et al Handlungsempfehlung des bundesweiten Netzwerks Gesund ins Leben: Geburtshilfe und Frauenheilkunde. Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft.
Pawlik V. Umfrage in Deutschland zur Anzahl der Vegetarier bis 2020. Statista 2021.
Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Vitamin B12 – Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr. 2018 [zuletzt zitiert am 14.06.2021]. URL: https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-b12/
Netzwerk Gesund ins Leben. Handlungsempfehlungen vegane und vegetarische Ernährung in der Schwangerschaft. 2018 [zuletzt zitiert am 14.06.2021]. URL: https://www.gesund-ins-leben.de/fuer-fachkreise/familien-vor-und-in-der-schwangerschaft/handlungsempfehlungen/ernaehrung/vegetarische-und-vegane-ernaehrung-in-der-schwangerschaft/